Bad Tölz:Eiskaltes Training

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Norbert Heiland, Vorsitzender der Bergwacht Bayern, Wolfgang Reif, Vorstandsvorsitzender der Versicherungskammer Stiftung, und Stiftungsvorstand Wolfgang Buchner nehmen den neuen Trainingsraum in Betrieb. (Foto: Manfred Neubauer)

Im neuen Wetterraum der Tölzer Bergwacht trainieren Freiwillige Rettungseinsätze bei extremen Temperaturen

Von Lea Utz, Bad Tölz

Schon nach wenigen Minuten dringt eine stechende Kälte auf die Haut. Der Atem der Helfer hängt in Wölkchen in der Luft, als sie sich über den Mann beugen, der bewegungslos am Boden liegt. Jetzt muss alles schnell gehen - sonst droht dem Bergsteiger eine Unterkühlung. Die drei Freiwilligen der Bergwacht prüfen den Blutdruck des Patienten, versorgen sein verletztes Bein und wickeln ihn in eine leuchtend orange Wärmedecke. Jeder Handgriff, jede Absprache sitzt. Auch wenn es sich in diesem Fall um eine Trockenübung handelt: Die Kälte ist real - und damit auch der Zeitdruck, dem die Helfer ausgesetzt sind.

Im neuen Bergwetterraum des Ausbildungszentrums in Bad Tölz haben die Freiwilligen der Bergwacht von nun an die Möglichkeit, den Einsatz bei extremen Temperaturen zu trainieren. Bald sollen in der Kammer auch Wind, Regen und Schnee erzeugt werden können. "Wenn man so ein reales Szenario durchspielt, prägen sich die Handlungsabläufe ganz anders ein", weiß Notarzt Christian Freund, der jedes Jahr rund 20 Einsätze im Gebirge leitet. "Man verinnerlicht, dass die Kälte einen beeinträchtigt." Der Bergwetterraum sei deshalb optimal, um das Training der Ehrenamtlichen zu intensivieren. Ein weiterer Vorteil: "Wir können hier unsere Materialien unter Laborbedingungen prüfen und schauen, was das Beste für uns ist." Dieses Wissen kann Leben retten.

So wie im September vergangenen Jahres, als die Bergwacht an der Ostwand des Watzmanns zwei Schwerverletzte innerhalb einer Stunde verarztete. Die stählernen Wände des Raums sind acht Meter hoch - hoch genug, um auch die Notfallversorgung an einer solchen Steilwand zu simulieren. Ein Heiz- und Kühlsystem steuert die Temperatur je nach Bedarf, die Kammer kann bis auf minus 20 Grad abgekühlt werden. "Es ist ein Versuchsraum für Mensch und Material, den man auch trocken nutzen kann", erläutert Roland Ampenberger, Vorstand der Stiftung Bergwacht. Bautechnisch sei das eine Herausforderung gewesen, denn es gebe nur wenige vergleichbare Übungsräume.

Erste Pläne für den Bergwetterraum gab es bereits im Jahr 2012, doch damals fehlte der Bergwacht noch das Gel. Mit der Unterstützung der Stiftung der Versicherungskammer Bayern konnte das rund 200 000 Euro teure Projekt schließlich verwirklicht werden. "Ich bin überzeugt, dass diejenigen, die hier ausgebildet werden, schneller, besser und kompetenter helfen können", sagt Wolfgang Reif, Vorstandsvorsitzender der Stiftung.

Die Anlage in Tölz hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Hightech-Trainingszentrum entwickelt, auch Rettungseinsätze mit Hubschrauber und Seilwinde können dort geprobt werden. "Entscheidend ist, dass wir die Abläufe, bei denen man draußen großem Druck ausgesetzt ist, hier routinemäßig üben können", sagt Norbert Heiland, Vorsitzender der Bergwacht Bayern. Das zeige sich auch in der Kältekammer: "Da fängt man wegen der Temperaturen automatisch an, alles viel schneller zu machen."

Rund 3000 aktive Bergretter gibt es in Bayern, sie alle sollen künftig einmal im Jahr im Bergwetterraum trainieren. Den hohen Stellenwert einer fundierten Ausbildung betont auch Theo Zellner, Präsident des Bayerischen Roten Kreuzes. "Darauf müssen wir generell wieder mehr Wert legen, denn die Herausforderungen sind vielfältiger geworden." In Bayern sei derzeit ein Ausbildungszentrum für Katastrophenschutz und Terrorabwehr in Planung. "Da brauchen wir auch die Erfahrung aus Bad Tölz." Dass die Notfallversorgung im Gebirge nun auch unter extremen Bedingungen geübt werden könne, sei "ein großer Schritt nach vorne".

© SZ vom 04.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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