Ökologisches Denken:Eine realistische Vision

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Sebastian Girmann von Biotop Oberland berichtet, dass 90 Haushalte das Angebot nutzen, Biotop mitzufinanzieren und dafür monatlich einen Korb Gemüse zu bekommen. (Foto: Manfred Neubauer)

Wie fairer und regionaler Handel vereinbar sind

Von Martina Schulz, Bad Tölz

Wir schreiben das Jahr 2025. Die Menschheit, insbesondere die im Isarwinkel, hat sich an nicht genormte, knollige Karotten gewöhnt, die saisonal gehandelt werden. Erdbeeren zur Weihnachtszeit gehören der Vergangenheit an. Das ökologische Bewusstsein der Jugend hat das Konsumdenken verdrängt. Und mindestens ein Drittel der Bürger hat sich von einem System, das die Macht der Konzerne unterstützt, befreit und entscheidet in Bürgerparlamenten über Projekte. Faires, ökologisches und regionales Denken sind selbstverständlich. Diese Visionen standen am Ende der Veranstaltung "Fair und regional - zwei Seiten einer Medaille", die vom Steuerungskreis "Fair Trade Town Bad Tölz" im evangelischen Gemeindehaus organisiert wurde. Zur Podiumsdiskussion eingeladen waren Kreisbäuerin Ulrike Fiechtner, Sebastian Girmann von Biotop Oberland, Klaus Kopp vom Verein "Bürger-vermögen-viel", Theresia Huber vom Arbeitskreis "Eine Welt" und Agnes Bergmeister vom Verein Naturland.

In seiner Anmoderation machte Matthias Wilke vom Evangelischen Bildungswerk klar, dass es sich um eine freundschaftliche Talkrunde in kollegialer Atmosphäre handle. So konnte in Ruhe für die Projekte geworben werden, die grundsätzlich fairen Handel mit Regionalität bereits verbinden.

Huber bemerkt, dass der Eine-Welt-Laden in der Säggasse die Konkurrenz der großen Supermarktketten spüre, die seit einigen Jahren verstärkt ein Fair-Trade-Sortiment anbieten, aber die Transparenz weniger gewährleisten könnten als ein Geschäft, in dem der Kunde genaue Auskünfte über das Produkt bekomme.

Die Molkerei Berchtesgadener Land habe sich auch Fair Trade auf die Fahnen geschrieben, so Fiechtner. Ein Teil dieser Milch werde für die Herstellung von fair gehandelter Schokolade genutzt, ergänzte Bergmeister. Dies ist auch auf einem Plakat zu sehen, auf dem unter der Überschrift "Süd trifft Nord" ein Kleinbauer aus Lateinamerika vor seinen Kakaopflanzen und ein bayerischer Bauer vor einem idyllischen Alpenpanorama zu sehen sind. Kopp, der von Wilke als "Hansdampf der Alternativökolgie" angekündigt wurde, ist Architekt. Er hat einen ganz anderen Ansatz als die anderen Teilnehmer der Talkrunde. "Ich musste nach meinem Studium leider die gravierende Erfahrung machen, dass nicht sinnvoll gebaut wird, weil es sich nicht rechnet. Und da stellte sich mir die Frage: Warum fehlt es an Geld?" Diese Erfahrung reifte dann zur Idee, eine Bürgerkarte zu kreieren. Das Prinzip ist einfach: Letztlich verschwindet das Geld, das man bei einem regionalen Händler ausgibt, der zum Netzwerk von "Bürger vermögen viel" gehört, nicht in den Weiten des Finanzuniversums, sondern wird durch Registrierung der Karte an der Kasse wieder in den regionalen Kreislauf eingebracht - in diesem Fall in Ebersberg und Landsberg am Lech, wo sich dieses System etabliert.

Dass der Bürger sich von großen Konzernen unabhängig machen kann, hat auch Girmann erkannt. Biotop Oberland wird durch Verbraucher finanziert. Dafür bekommt man einmal im Monat einen Warenkorb mit Gemüse. 90 Haushalte im Isarwinkel beteiligen sich bereits an diesem Projekt, das erst seit etwa acht Monaten angeboten wird und für das Girmann durch sein Studium des Gartenbaus das nötige Wissen mitbringt. Und um das Produkt wirklich schätzen zu können, kann man sich an sogenannten Mitgärtnertagen selber die Hände schmutzig machen.

Die Fragen des Publikums waren ähnlich harmonisch wie die Talkrunde selbst und bezogen sich im Wesentlichen auf die Vorgehensweise der vorgestellten Projekte. Am Ende waren sich alle einig: Fair Trade und Regionalität sind kompatibel. Dafür müssten aber die Verbraucher ihre Einstellung ändern, denn an der Isar werden auch 2025 weder Mangos noch Kakaobohnen wachsen.

© SZ vom 13.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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