Bad Tölz:Ein Latin Lover auf der Suche nach Logis

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Tubist Andreas Martin Hofmeir unterhält das Publikum in der Alten Madlschule mit großer Spielfreude - kabarettistisch und instrumental

Von Sabine Näher, Bad Tölz

Draußen mobilisiert der Winter mit heftigem Schneegestöber seine letzten Kräfte, drinnen ist es kuschelig warm in drangvoller Enge. Der Saal in der Alten Madlschule Bad Tölz platzt aus allen Nähten. "Warum seid's ihr eigentlich heute hier? Habt's ihr die Karten geschenkt bekommen?", fragt mit gut gespielter Verwunderung der Mann, der neben seiner Tuba auf dem Podium sitzt und skeptisch in die Menge schaut. "Oder kennt's ihr mich vielleicht von Labrassbanda?" Freudige Zustimmung im Saal. Das schüre nun eine völlig falsche Erwartung, erklärt Andreas Martin Hofmeir streng. Er wolle heute nämlich nur eines: Keinen Aufwand!

Das sieht dann im Verlauf der nächsten gut zweieinhalb Stunden so aus, dass er seiner Tuba ungeahnte Töne entlockt, mit einer Virtuosität, die so manchen Trompeter blass werden lässt, dazwischen herrlich komische Geschichten aus seinem Leben erzählt oder vielmehr aus seinem Buch vorliest, das so heißt wie das Programm, und dass er einen steten, amüsanten Dialog mit dem Publikum pflegt.

Running Gag des Abends ist "die Übernachtungsfrage": Der Veranstalter stelle nur ein Hotelzimmer. Das sei für Hofmeir. Sein Bühnenpartner an der Gitarre, der Brasilianer Guto Brinholi, Typ Latin Lover, komme aber "auch so unter". Erste Ansage: Eine Blondine, unter 26, sei erwünscht. Und: "Guto sieht die Dinge gerne schon in der Pause geregelt . . . " Danach Ernüchterung: "Wir haben uns das Publikum jetzt bei Licht angeschaut und müssen nachjustieren: Blond, unter 45!"

Dazwischen erfährt man einige interessante Dinge: Dass diejenigen Musiker zur Tuba greifen, die nicht so gerne üben wollen, zum Beispiel. Aber auch, wie es hinter den Kulissen eines großen Sinfonieorchesters so zugeht, denn Hofmeir konzertiert als gefragter Solist regelmäßig mit den Großen der Branche. Ebenso anschaulich erzählt er, wie es sich anfühlte, als Bub aus der Hallertau zum Musikstudium in die Metropole Berlin zu ziehen.

Dabei sitzt Hofmeir, seinem Motto gemäß, lässig und entspannt auf der Bühne und pflegt einen eher behäbigen Sprachduktus. Ein wohltuender Kontrast zu den Kabarettisten, die über die Bühne wirbeln und ein Sprachtempo entwickeln, dass dem Zuhörer schwindlig wird. Hofmeir dagegen wirkt eher wie ein Dozent, der er auch ist, denn er hat eine Professur am Salzburger Mozarteum inne. Wenn er dort auch nur einen Bruchteil des trockenen Humors einbringt, den er auf der Bühne zeigt, kann man seine Studenten nur beneiden. So erklärt er zum einprägsamen Tubasolo in Prokofjews Oper "Die Liebe zu den drei Orangen": "Die Köchin furzt in F!"

Auch die kulturelle Vorbildung des Publikums fragt er, ganz Lehrer, immer wieder ab: "Wer war schon mal in einem klassischen Konzert? - André Rieu zählt nicht! - Jetzt sind's nur noch halb so viele." Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen auf der Kabarettbühne führt Hofmeir niemanden aus dem Publikum vor, sondern spottet lieber über sich selbst: "Ich dichte wahnsinnig gerne. Aber ich kann's nicht." Der Vortrag des Gedichts "Der Telemann", eine Huldigung an den Barockkomponisten, der "leider schon tot war, als die Tuba erfunden wurde", geht in Lachen unter. Als sich vereinzelt Hände rühren, sagt der Dichter leicht beleidigt: "Sparen Sie sich den Mitleidsapplaus!" Aus Trotz fügt er gleich noch ein Gedicht über die Flöte an: "Eine gute Gelegenheit für alle Flötisten, zur Rauchpause rauszugehen."

Währenddessen verlangt die immer noch ungeklärte Übernachtungsfrage weitere Zugeständnisse: "Letztes Angebot: 49 - und Haarfarbe egal!" Am Ende des Programms, nach heftigem Beifall, fallen alle Hemmungen: "53 - Geschlecht egal! Bevor das nicht geregelt ist, gibt's keine Zugabe." Zur Überbrückung noch ein Gedicht: Es sei in "Starckdeutsch" verfasst, welches ein Berliner Literaturzirkel erfunden habe. Mit übertriebenem Pathos und eingedunkelten Vokalen legt Hofmeir eine umjubelte Nummer ab. Die Zugabe, ein argentinischer Tango, heißt "Latin Lover": "Lateinischer Liebhaber - ein Auftragswerk des bayerischen Altphilologenverbandes." Nur die Übernachtungsfrage bleibt ungeklärt.

© SZ vom 02.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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