Bad Tölz:Eberhard Bahr verlässt Neurokom

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Der Gründer der Einrichtung für Hirnverletzte geht in Ruhestand

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

In der Reha-Klinik Neurokom im Kurviertel geht eine Ära zu Ende: Geschäftsführer Eberhard Bahr verlässt die von ihm gegründete Einrichtung, die Patienten mit schweren Hirnverletzungen betreut. Als Grund für den Rückzug nennt der 75-Jährige sein Alter. Seine Nachfolgerin ist die gebürtige Tölzerin Ursula Rammelmaier. Die 35-Jährige war zuletzt Betriebsleiterin und Präventionsbeauftragte im Seminar St. Matthias in Waldram.

Bahr bildete in den vergangenen Jahren zusammen mit Silvia Uelze eine Doppelspitze in der Geschäftsführung des Neurokom, ebenso in der gemeinnützigen Trägergesellschaft GFG. Uelze bleibt in ihren beiden Funktionen weiterhin tätig. Bahr habe "trotz aller Widrigkeiten beispiellos den Grundstein für die Versorgung von Menschen mit Hirnschädigung gelegt", sagt die Geschäftsführerin. Eine dieser Widrigkeiten war 2011 die Klage der Hoteliersfamilie Eberl, die befürchtete, dass sich ihre Gäste vom Anblick der hirnverletzten Patienten auf dem Nachbargrundstück beeinträchtigt fühlen könnten. In der Verhandlung des Verwaltungsgerichts München an Ort und Stelle zogen die Eberls ihre Klage allerdings zurück.

Den Prototypen für die Reha-Klinik gründete Bahr vor 25 Jahren für die Stiftung Pfennigparade in München. Die Einrichtung entwickelte sich in den folgenden fünf Jahren dann zum Neurokom Bad Tölz, das bis 2010 im Rehazentrum Isarwinkel an der Krankenhausstraße angesiedelt war. Mitte der Neunzigerjahre habe es in Europa noch keine vergleichbaren Rehabilitationsangebote für Patienten mit Hirnverletzungen gegeben, erzählt Bahr. "Meine Vision war, diesen Menschen in unserem Sozialstaat wieder einen eigenen Platz zu geben, so wie es mit anderen von schweren Schicksalen betroffenen Menschen auch möglich ist." Dieses Ziel hat er seiner Ansicht nach erreicht: Im November 1995 habe man mit fünf Bewohnern begonnen, derzeit begleite man in der Klinik an der Buchener Straße gut 100 Patienten auf ihrem Weg zurück ins Leben.

Ein Wunsch ist für Bahr in all den Jahren allerdings nicht in Erfüllung gegangen. Im Sozialgesetzbuch gebe es nach wie vor nur drei rechtliche Kategorien für Behinderungen: körperlich, geistig, seelisch. Diese Einstufungen würden Hirnverletzten mit ihrem vielfältigen Reha-Bedarf nicht gerecht, meint er. Deshalb hoffe er weiterhin darauf, dass sie "auch in den Gesetzestexten des Sozialgesetzbuchs berücksichtigt werden, um so eine echte Chance zu bekommen, wieder teilzuhaben an allen Facetten des allgemeinen Lebens".

Nachfolgerin Rammelmaier absolvierte zunächst eine Ausbildung zur hauswirtschaftlichen Meisterin und zur Intensivkrankenschwester, danach studierte sie Heilpädagogik und arbeitete mit mehrfach behinderten Jugendlichen. Nach etlichen Fortbildungsmaßnahmen machte sie sich auch einen Namen als Koma-Expertin. Sie hält Fachvorträge und betreut Angehörige. Ihrem Vorgänger zollt sie Respekt: Was Eberhard Bahr zusammen mit Uelze in 20 Jahren aufgebaut habe, sei beachtlich.

© SZ vom 09.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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