Bad Tölz:Dreimal mutig

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Wie Christoph Heuberger ein Chorkonzert gestaltet

Von Reinhard Szyszka, Bad Tölz

Klein aber fein, Klasse statt Masse. Nach diesem Motto gestaltet Christoph Heuberger, Kirchenmusiker an der Tölzer Stadtpfarrkirche, die Konzerte des Jungen Kammerchors, eines Projektchors. So auch beim Passionskonzert am vergangenen Sonntag. Zwei frühe Bach-Kantaten standen auf dem Programm, dazu A-cappella-Musik von Petr Eben und Heinrich Schütz. Die Choristen waren im Programmheft namentlich aufgeführt, und wer nachzählte, stellte mit Erstaunen fest, dass sich der Chor aus nur 20 Sängerinnen und Sängern zusammensetzte, darunter gerade einmal drei Tenöre. Beim Auftritt dann die nächste Überraschung: Es waren sogar nur 18 Chorstimmen. Atsuko Heuberger, die Ehefrau des Dirigenten, war während der Bach-Kantaten am Orgelpositiv gefordert und konnte nur beim A cappella im Alt mitsingen. Und von den drei Tenören war einer ausgefallen, so dass die Tenorstimme von nur zwei Sängern bewältigt werden musste. Doch Heuberger ließ sich nicht beirren und ging den Bach mutig mit zwei Tenören an.

Der Mut wurde belohnt. Die Intonation war tadellos, und auch die Balance zwischen den Stimmen blieb gewahrt. Ohne Forcieren schafften es die zwei Tenöre, ihrer Stimme das gleiche Gewicht zu verleihen wie Sopran, Alt und Bass, wo jeweils fünf oder sechs Sänger am Werk waren. Die Männerstimmen des Jungen Kammerchors werden häufig von ehemaligen Tölzer Knaben bestritten, und diese Schulung bewährte sich.

Den Anfang machte die Kantate "Aus der Tiefen rufe ich, Herr, zu dir" von Bach. Das kleine Kammerorchester erzeugte einen wunderbar weichen, dunklen Klang, was besonders den beiden Gamben zu verdanken war. Darüber erhob sich der Chor mit deutlicher, aber niemals übertriebener Textbehandlung. Heuberger gab klare Zeichen und überließ nichts dem Zufall. Bei den Soloparts dominierten die Männerstimmen. Hier glänzte besonders der Bassist Tobias Peschanel mit in allen Lagen ausgeglichener, koloraturgewandter Stimme. Doch auch der Tenor Taro Takagi lieferte eine sehr ansprechende Leistung. Die weiblichen Solisten singen hier "nur" Choralstrophen, und Heuberger bewies wieder Mut: Er stellte Susanne Killer aus dem Chorsopran dem Vollprofi Peschanel gegenüber. Killer bewährte sich mit klarer, gut geführter, vibratofreier Stimme und großem Atem für die langen Notenwerte. Bei der anschließenden Tenorarie singt der Alt den Choral, und hier stellte sich die Altistin Barbara Hölzl nach hinten, neben den Chor, so dass zwischen ihr und Takagi eine ähnliche Klangbalance entstand wie zuvor zwischen Killer und Peschanel.

Nach der Kantate trat das Orchester ab, und der Chor nahm im Halbkreis Aufstellung für das wohl schwierigste Werk des Abends, die Motette "De tempore" des tschechischen Komponisten Petr Eben. Das Stück wartet nicht nur mit harmonischen Klangreibungen und rhythmischen Vertracktheiten auf, sondern es enthält auch längere gesprochene Passagen, nach denen sofort weitergesungen werden muss, ohne dass der Chorleiter die Töne neu angeben könnte. Mutig, ein solches Werk anzugehen! Und es gelang. Ohne die geringste Unsicherheit fand der Chor nach den Sprechpassagen seine Töne, und die Sängerinnen und Sänger kamen mit der schwierigen Musik hervorragend zurecht. Auch die anschließende sechsstimmige Motette "Unser Wandel ist im Himmel" von Heinrich Schütz ist ein anspruchsvolles Werk, zumal mit einem so kleinen Chor. Im Vergleich zu Petr Eben aber war der Schütz die reine Erholung.

Dann kamen die Instrumentalisten zurück für das letzte Werk des Konzerts, die Bach-Kantate "Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit", auch bekannt als "Actus Tragicus". Christoph Heuberger erzeugte ein ausgeglichenes, gedämpftes Klangbild, wie es zu dieser Kantate passt. Susanne Killer hatte noch anspruchsvollere Aufgaben als bei der ersten Kantate, und Barbara Hölzl konnte ihre solistischen Qualitäten zeigen.

Beim Schlussapplaus holte Heuberger Susanne Killer aus dem Chor und stellte sie neben die Profi-Sänger, damit sie sich mit ihnen gemeinsam verbeugen konnte. Mit Fug und Recht!

© SZ vom 05.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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