Bad Tölz:Der wahre Glanz

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Tölzer Adventssingen im Kurhaus bringt eine eindrucksvolle Darstellung der Weihnachtsgeschichte

Von Reinhard Szyszka, Bad Tölz

"Ja, is denn heut scho Weihnachten?" Fast hätte man meinen können, das Tölzer Adventssingen sei vom Ende her aufgerollt. Zwei Hirten traten auf die Bühne im Kurhaus, blind der eine, fast taub der andere, und doch hörten sie ein fernes Klingen und sahen einen großen Glanz. Aber nein: Der falsche Glanz war das, und beschenkt wurden nur jene, die eh schon alles haben. Herr Überfluss bekam einen Kuchen, Frau Eitelkeit wurde mit einem Spiegel beglückt, und Herr Herrschsucht durfte sich über einen Säbel freuen. "Ein Spiel vom falschen und vom wahren Glanz" hat Elisabeth Mayrhofer ihr Krippenspiel betitelt, und Klaus Wittmann hat es in bewährter Weise für das Adventssingen eingerichtet und inszeniert. Wie ein roter Faden zieht sich durch das Werk die Ballade "Da Gott die Welt erschaffen wollt", vorgetragen vom blinden Hirten Bartl, mit Einwürfen vom Chor. Natürlich hatte Wittmann auch wieder die Sprecherrolle übernommen, und er interpretierte die biblische Geschichte vom Sündenfall so, dass der Mensch die Erkenntnis seiner Sterblichkeit nicht ertragen könne und deshalb unermüdlich nach Ablenkung durch Konsum, Egoismus und Macht suche. Dies, so die Kernaussage, sei der falsche Glanz, dem der wahre, der himmlische Glanz gegenüberstehe. Die Handlung folgte dem bekannten Muster von der alttestamentarischen Prophezeiung über den Gang Marias und Josefs nach Bethlehem bis zur Verkündigung an die Hirten. Abgesehen von der Herbergssuche spielten alle Szenen draußen bei den Hirten.

Was bei den Spielszenen angenehm auffiel, war der ruhige Ernst der Darstellung. Franz Schwaighofer und Franz Apfel verkörperten die zwei Hirten, Johannes und Benedikt Wittmann waren die beiden Hirtenbuben. Eine besonders hübsche Idee: Im Gegensatz zum ausgeprägten Lokaldialekt der Hirten sprachen Maria und Josef (Clara Bicanic und Roland Herzog) Hochdeutsch. Einerseits wurde so die königliche Abkunft der beiden angedeutet, andererseits kamen sie ja aus dem fernen Nazareth im Norden, wo man auch in biblischen Zeiten anders gesprochen haben mag als im südlich gelegenen Bethlehem. Bei der Herbergssuche waren es dann nicht die hartherzigen Wirte, die Maria und Josef die Tür wiesen, sondern die allegorischen Figuren Überfluss, Eitelkeit und Herrschsucht, dargestellt von drei Sängern des Mühlfeldchors, die dafür durchaus eine namentliche Erwähnung im Programmheft verdient gehabt hätten.

Doch so sehr die gesprochenen Teile auch beeindruckten: Der Schwerpunkt lag auf der Musik. Judith Geißler-Herzog, die selbst an der Harfe und mit der Blockflöte mitwirkte, hatte eine Vielzahl geeigneter Stücke ausgewählt und, wo erforderlich, bearbeitet. Neben Tänzen und Gesängen aus der bayerischen Volksmusik fanden auch zwei Lieder aus Finnland ihren Platz, und die Pastorella des Bach-Zeitgenossen Valentin Rathgeber fügte sich ebenso nahtlos ein wie das Wiener Hofball-Menuett von Joseph Haydn. Eines freilich suchte man vergebens: die bekannten Advents- und Weihnachtslieder. Auf "O Tannenbaum" und "Stille Nacht" hatte Geißler-Herzog ganz bewusst verzichtet, um das Adventssingen nicht ins Süßlich-Kitschige abgleiten zu lassen.

Die Musiker waren mit dem gleichen Ernst, der gleichen Konzentration bei der Sache wie die Schauspieler, und man kann nur bewundern, wie minutiös Wittmann, Geißler-Herzog und die anderen Beteiligten den Ablauf einstudiert und geprobt hatten. Langeweile konnte nicht aufkommen; ständig gab es Wechsel zwischen instrumentalen und vokalen Partien sowie zwischen den verschiedenen Instrumentengruppen, und auch ohne zentralen Dirigenten klappte alles wie am Schnürchen. Der Mühlfeldchor unter der Leitung von Christl Frei sang mit der größten Selbstverständlichkeit seinen Part auswendig, und auch der Dreigesang Korntheuer-Staltmeier benötigte keine Noten. An den Instrumenten saßen Lehrer und fortgeschrittene Schüler der Sing- und Musikschule.

Das Publikum folgte mit gebannter Spannung der etwa anderthalbstündigen Aufführung. Tafeln am Eingang hatten zuvor darum gebeten, erst am Schluss zu applaudieren, doch das Adventssingen war so konsequent durchinszeniert, dass niemand an Zwischenapplaus dachte. Am Ende sang der Mühlfeldchor den bekannten Andachtsjodler, und beim zweiten Durchgang forderte Christl Frei die Zuhörer zum Mitsingen auf, die sich daraufhin geschlossen von den Sitzen erhoben. Eine überaus eindrucksvolle Darstellung der Weihnachtsgeschichte fand so ihren würdigen Ausklang.

© SZ vom 07.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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