Bad Tölz:Der vierfache Lebensretter

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Am Stauwehr bei Bad Tölz stiegen Bootsfahrer trotz Warnschildern in die Fluten. Nur weil Christian Steinbacher eingriff, überlebten vier Münchner. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Christian Steinbacher hat leichtsinnige Bootsfahrer aus der Isar gefischt. Er wird von Ministerpräsident Seehofer geehrt

Von Erik Häussler, Bad Tölz

Wenn Menschen in Not sind, ist es erste Bürgerpflicht zu helfen - theoretisch. Tritt diese Situation aber plötzlich ein, zögern viele. Als in den Abendstunden des 16. August 2013 Hilfeschreie vom Isarkraftwerk bei Bad Tölz zu hören waren, zögerte Christian Steinbacher keine Sekunde. Der 41-jährige ist Elektriker bei den Stadtwerken, für das Kraftwerk zuständig und wohnt in der unmittelbaren Nachbarschaft. Er setzte einen Notruf ab und eilte mit seiner Frau Kathrin zum Wehr. Vier Schlauchbootfahrer aus München waren in akuter Lebensgefahr. "Das hätte jeder gemacht, der Hilfeschreie hört", sagt der Familienvater heute.

Im Frühjahr 2013 hatte es viel geregnet. Wegen Hochwasser wurde der Stausee am Isarkraftwerk komplett abgesenkt. Dabei wurde klar, dass der Kanal sanierungsbedürftig war. Es wurden Schilder aufgestellt, ein Seil gespannt und ein Bauzaun errichtet, damit Bootsausflügler das Wehr nicht passieren konnten, die Durchfahrt war für sie absolut lebensgefährlich. "Mehr Sicherheitsmaßnahmen kann man nicht ergreifen", sagt Steinbacher. Die Ausflügler mussten ihr Boot circa 200 Meter weit am Ufer tragen. Für viele zu weit. Sie unterschätzten die Wasserwalze, die sich am Wehrdurchlauf bildet. Bereits am 20. Juli war es zu einem dramatischen Unglück gekommen. Zwei Bootsfahrer hatten die Schilder ignoriert und den Zaun umgangen. Einer der beiden kam unverletzt durch die Wasserwalze, das Boot des andere wurde durch die starke Strömung nach unten gezogen, mit ihm der Fahrer. Auch hier wollte Steinbacher bereits helfen - vergeblich. Als mehrere Helfer den Mann ans Ufer ziehen konnten, war es trotz Wiederbelebungsversuchen zu spät.

Am 16. August eilten Steinbacher und seine Frau erneut vom Wohnhaus zur Unglücksstelle. Die vier Münchner hatten die Schilder ignoriert und waren, nachdem sie die Walze als ungefährlich eingeschätzt hatten, durch das Wehr hindurch. Das Schlauchboot wurde von den Verwirbelungen erfasst und nach unten gezogen. Die Insassen versuchten mit aller Kraft, sich am Boot festzuhalten. "Die sind wie die Mäuse am Seil gehangen", beschreibt Steinbacher die dramatischen Minuten.

Das Ehepaar Steinbacher warf einen Rettungsring ins Wasser, die Verunglückten klammerten sich mit letzter Kraft daran. "Die waren mit den Kräften am Ende. Sie waren mindestens schon zehn Minuten im Wasser gewesen, bei maximal acht Grad."

Aber auch die Steinbachers merkten schnell, dass ihre Kräfte nicht reichten: "Der Zug des Wassers war brutal. Wir dachten: das ziehen wir nie." Erst als einer der Vier sich nicht mehr halten konnte und unter Wasser gezogen wurde, konnten die Retter die Übrigen Stück für Stück in Sicherheit ziehen. Der Vierte hatte Glück und konnte sich durch Geschick aus den Strömungen befreien. Der Sog war so stark, dass allen die Kleider vom Leib gerissen wurden. Dennoch hatten sie Glück im Unglück: Sie haben ihren Leichtsinn überlebt. Dank den Steinbachers. Am Tag danach kamen die Verunglückten und bedankten sich bei ihren Rettern mit Geschenken. Am ersten Jahrestag kam ein Strauß Blumen.

Christian Steinbacher wird am Freitag vom bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer mit der Bayerischen Rettungsmedaille geehrt. Bis heute ist es für ihn nicht nachvollziehbar, wie man so leichtsinnig sein kann: "Die spielen mit ihrem Leben!" Oft hat er Bootfahrer auf die Gefahr hingewiesen, häufig musste er dafür besserwisserische Antworten einstecken. Sein einziger Wunsch: dass es seine erste und letzte Auszeichnung bleibt.

© SZ vom 17.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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