Bad Tölz:Dem Reformator zur Ehre

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Michio O'Hara begleitet Andreas Pehl am Cembalo. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Countertenor Andreas Pehl würdigt Luther als Komponisten

Von Sabine Näher, Bad Tölz

Mit großen Schritten naht das Lutherjahr 2017. Thematisch passende Neuerscheinungen auf dem Bücher- und Plattenmarkt sind nicht mehr zu übersehen, auch öffentliche Veranstaltungen befassen sich zunehmend mit dem Reformationsjubiläum. Einer bislang zu wenig beleuchteten Facette im Schaffen des Reformators widmete sich der in Lenggries lebende Countertenor Andreas Pehl jetzt in der Tölzer Johanneskirche. Im Mittelpunkt seines Konzerts stand Luther als Textdichter wie auch als Komponist des neuen deutschen Kirchenlieds, das der Theologe und Musiker für unabdingbar hielt, um die Gemeinde in den Gottesdienst aktiv einzubeziehen.

Wie man es von seinen mittlerweile legendären Sylvesterkonzerten im Benediktbeurer Barocksaal kennt und schätzt, wechselte Pehl mühelos zwischen den Rollen des Sängers und Moderators oder Rezitators. Lange muss man suchen, um jemanden zu finden, der es da mit ihm aufnehmen könnte: Schauspieler oder Sprecher können in der Regel nicht (oder jedenfalls nicht konzertadäquat) singen. Und wenn Sänger ihre Konzerte selbst moderieren, wünscht man fast immer, sie hätten das doch lieber bleiben lassen. Nicht so bei dem in München geborenen Countertenor: Ihm zuzuhören ist ein Vergnügen - ob er nun singt oder spricht.

Mit "Nun komm, der Heiden Heiland" führte er Luther in der Doppelfunktion als Texter und Komponist ein. Pehl sang die erste Strophe unbegleitet: zart, rein, ergreifend - ein berührender Einsteig. Der sicherlich besonders gute Nerven vom Sänger verlangt, doch der Wahl-Lenggrieser hatte hier ja so etwas wie ein Heimspiel: Das Publikum kennt ihn in der Region nicht nur als Sänger, sondern auch als engagierten Stimmbildner der Johanneskantorei, die in dieser Kirche regelmäßig zu hören ist. Luthers "Vom Himmel hoch, da komm ich her" sang er mit zu Herzen gehender Innerlichkeit. Erhellendes drauf: Das habe man wohl im Lutherschen Familienkreis 1535 so gesungen; Ursprung der Melodie sei aber ein Schlager, ein sogenannter Gassenhauer: "Ich kum aus fernem Land daher, ich bring' euch viele neue Mär". Über die Konsolidierung des deutschen Kirchenlieds, das bei Luther seinen Ursprung hatte, erzählte Pehl weiter und belegte den Textvortrag mit schönen musikalischen Beispielen, etwa Bachs Vertonung von Martin Opitz' "Auf, auf, die rechte Zeit". Am Cembalo hatte der Sänger einen zuverlässigen Begleiter in Michio O'Hara, der unter anderem bei der in Tölz geborenen und in Leipzig wirkenden Cembalistin Michaela Hasselt studierte.

Doch Pehl hatte noch mehr Überraschendes in petto: Der von ihm verlesene Text eines veritablen Liebeslieds, "Sie ist mir lieb, die werte Magd", das durchaus vom mittelalterlichen Minnesang inspiriert sei, erwies sich als Kirchenlied: eine Huldigung Mariens. Pehl und O'Hara boten souverän eine reich und kunstvoll ausgeschmückte Interpretation. Zu Heinrich Schütz' "Was hast du verwirket" wies Pehl darauf hin, dass Schütz vom italienischen Concerto inspiriert eine neue Farbe in die deutschen Kirchenlieder und lateinischen Gesänge gebracht habe, die Luther, der "Wittenbergisch Nachtigall", sicher gut gefallen habe. Ganz von der Deklamation ausgehend, aus der Wortdeutung heraus expressiv gestaltet wurde der Schütz zu einem Höhepunkt des Konzerts.

Auf den herzlichen Beifall in der gut gefüllten Johanneskirche antwortete Pehl mit einer Zugabe eigener Art: Er forderte die Zuhörer auf, "Nun komm, der Heiden Heiland" gemeinsam zu singen. Ganz in Luthers Sinne ertönte der "Gemeindegesang", hell überstrahlt von der Stimme des Solisten.

© SZ vom 28.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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