Bad Tölz:Das kann ja mal vorpommern

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"Reim Time" - ein erfrischendes Bad in Willy Astors "Wörtersee" im Tölzer Kurhaus

Von Sabine Näher, Bad Tölz

Das musste an diesem 9. November 2016 natürlich thematisiert werden: "Good night, America, how are you? Ich leide schon den ganzen Tag mit dir - denn dein Präsident ist nun ein Trumpeltier..." Das Liedl habe er eben noch schnell in der Garderobe geschrieben, berichtet Willy Astor dem Publikum im fast voll besetzten Kurhaus. Doch damit ist der Tagesaktualität Genüge getan: Ab jetzt gibt's den Astor, wie man ihn seit langem kennt und schätzt. Das heißt auch, es gibt ein Wieder-Hören mit vielen Glanznummern aus der Werkstatt des wohl berühmtesten "Verb-Brechers, Silbenfischers und Vers-Sagers", wie der Kabarettist sich selbst betitelt.

Auch wenn einige seiner jüngeren Kollegen versuchen, es ihm nachzutun: "Wer hat's erfunden?" - "Der Astor!" Und sein Um-die-Ecke-Denken, seine (fast immer) geistreichen Wortspiele, bei denen manche im Publikum noch "nachlachen", weil der tiefere Sinn nicht immer gleich offensichtlich ist, sind nach wie vor unerreicht gut. Von den "medizynischen Ärzten" zu Hitlers Ausflug in die Naturmedizin ("Heil, Praktiker!") über das Gesundheitstuch aus bestem "Gesundheits-Samt" bis zum auf breitestem Schwäbisch beworbenen "Seitenstecher-Müsli" braucht er bloß ein paar Sekunden. Dass er in den Saal hinab steigt, um Bekanntschaften im Publikum zu schließen ("Wie heißt du? Wo kommst du her? Wen hast du denn da mitgebracht?"), ist nicht unbedingt jedermanns Sache. Eine junge Frau ist von der Frage "Was machst du so?" denn auch hörbar verwirrt: "Äh, wie jetzt: beruflich...?". "Privat geht's mi nix o", sagt Astor lachend.

Wobei ihn streng genommen alles Andere natürlich auch nichts angeht, aber so ist er halt. Und so liebt ihn sein Publikum offensichtlich, wie die lange Schlange am CD- und Büchertisch, an dem der Kabarettist in der Pause signiert und bereitwillig Widmungen schreibt, beweist. "Heut' ist Mittwoch. Da mach' ich auch Tätowierungen", hatte er zuvor verkündet. Gut, dass niemand darauf zurück kommt, denn die Pause wird auch so schon sehr ausgedehnt. Umso mehr kann es genießen, hernach wieder in den Astor'schen "Wörtersee" einzutauchen. Nur die angekündigte Hymne auf Tölz enttäuscht manchen erwartungsfrohen Besucher: "O Bad Tölz, Bad Tölz - du bist so, wie du bist!" Ein "kurzes Liedl halt", aber da hätte dem Wortmagier doch ein bisschen mehr einfallen können zur schönen Kurstadt an der Isar.

Denn sonst fällt ihm allerlei Verrücktes ein: Vom selbst gebastelten "Welcome"-Kamm zur Begrüßung, dem "Islam-Handy" mit Schleier vor dem Display oder dem Insel-Urlaub "auf den Spirituosen" - hier zeigt sich die Astor'sche Qualität mit Wortspielen vom Feinsten. Seine Spezialität aber sind und bleiben die Oldies, die er zur eigenen Gitarrenbegleitung neu vertextet vorträgt. Aus Abbas Megahit "SOS" wird so "Ich hoff', es freut dich, Schatz, wenn ich mit dir bei ESSO ess...". Und im "Seniorenmedley" geht es Schlag auf Schlag so weiter: Da macht er aus der "Schickeria" der Spider Murphy Gang den Song an den "Schwabinger Zivi": "Schick' a Rührei, schick' a Rührei". Auch die bekannte Glanznummer über seine "Berliner WG", in der er in fünf Minuten alle Größen des Film- und Showbusiness unterbringt, ist mit ihrem Promi-Namedropping immer wieder umwerfend: "Der George putzte das Klo nie, der Nicki war lauda, der Ben stiller - und der Til der große Schweiger".

Seit über 30 Jahren steht Astor nun auf der Bühne. Und solange er selbst wie auch die Zuhörer so viel Vergnügen an seinen Darbietungen haben, darf es gerne so weiter gehen. Im gut halbstündigen Zugabenblock beschreitet er jedoch neue Wege: Nachdenkliche Texte auf Hochdeutsch, ohne Wortverdreher, zur Weltschmerz-Gitarrenbegleitung. Ein neuer Astor, doch die Unverwechselbarkeit geht verloren. Das machen (und können) viele Singer-Song-Writer ebenso. Es wäre schade, wenn der alte Astor darüber verloren ginge. Doch dann blitzt er nochmals auf: In der Lovestory mit dem Mädel aus Mecklenburg ("Das kann ja mal vorpommern!"): "Ich will dir meinen Leib zigmal zeigen. Und wenn's dir zu langweilig wird, na dann drehst'n!". Kleiner Tipp: Laut lesen.

© SZ vom 11.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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