Bad Tölz:Bäckerlehrling aus Überzeugung

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Hüseyin bekommt bei seiner Ausbildung besondere Unterstützung, weil er zunächst nur einen Förderschul-Abschluss hatte.

Suse Bucher-Pinell

Wenn sich andere nachts im Bett umdrehen, schlägt Hüseyin A. schon die Decke zurück und steht auf. Um drei Uhr früh klingelt sein Wecker, um vier Uhr muss er an seinem Arbeitsplatz sein. Dass er, um fit zu sein, meistens schon um 20 Uhr ins Bett geht, stört ihn nicht. Der 17-Jährige lernt Bäcker - aus Überzeugung. Er hat Praktika im Einzelhandel gemacht, hätte in der Kraftfahrzeugbranche eine Lehrstelle haben können. Er wollte nicht. Im September begann er seine Lehre in der Tölzer Bäckerei Hegmann-Büttner. Er lernt alles, was ein Bäckergeselle können muss, wird aber während der Lehre besonders begleitet. Das geschieht im Rahmen der "wohnortnahen Reha-Ausbildung" für junge Leute, die intensive Betreuung brauchen.

Hüseyins ist ein Jugendlicher mit Migrationshintergrund. Er spricht zwar Deutsch, schaffte aber zunächst nur den Abschluss der Förderschule. Diese Absolventen haben bei der Agentur für Arbeit üblicherweise einen "Reha-Status", weil sie ohne weitere Unterstützung auf dem ersten Arbeitsmarkt kaum Fuß fassen können. Hüseyin entschied sich nach der Schule für eine Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme (BvB) bei Real, einem Verbund von Einrichtungen in Bad Tölz und Lenggries, die Menschen dabei helfen, ein selbständiges Leben zu führen.

Weil er damals schon weiß, dass er Bäcker werden will, arbeitet er in der BvB im Bereich Hauswirtschaft. Er muss kochen, nähen, Wäsche waschen, bügeln - alles Aufgaben, die er zwar nicht "cool" findet, aber trotzdem macht. "Ich hab' mir gesagt, zieh' das durch", sagt er lapidar. Er beweist Ausdauer und holt innerhalb der BvB zudem den Hauptschulabschluss nach. Er macht sein erstes Praktikum in einer Bäckerei und bald sein zweites. Das absolviert er bei Leo Büttner, der schnell merkt, dass sein Praktikant zuverlässig mitarbeitet, teamfähig ist und Kollegen gegenüber höflich und freundlich.

Büttner stellt ihn als Lehrling ein. "Es gibt immer weniger Schulabgänger und die wenigen, die sich für den Beruf des Bäckers begeistern, sollen auch eine Chance bekommen", sagt Büttner. Er hat öfter junge Leute, die in den Beruf hinein schnuppern wollen oder innerhalb einer Bildungsmaßnahme ein Praktikum machen müssen. Manche halten nur ein paar Tage durch, wenige haben so großes Interesse, dass sie sich für den Beruf entscheiden.

Während seiner dreijährigen Lehre wird Hüseyin von Katja Nickels betreut. Sie gehört zum Team "wohnortnahe Reha-Ausbildung" der Isarwinkler Werkstätten, einer Einrichtung innerhalb des Real-Verbunds. Hüseyin ist einer von derzeit 27 Teilnehmern des Projekts. Katja Nickels trifft sich wöchentlich mit ihm, hält Kontakt zum Lehrbetrieb und zur Förderberufsschule in München. Sie kümmert sich darum, dass der 17-Jährige Nachhilfeunterricht bekommt, wenn es notwendig ist, und schaut darauf, dass er sein Berichtsheft regelmäßig führt, in dem er wöchentlich dokumentiert, was er im Betrieb und in der Schule gelernt hat. "Wir übernehmen diese Betreuung, weil die meisten Ausbildungsbetriebe sich nicht so intensiv kümmern können, die Teilnehmer aber mehr Anleitung brauchen als andere Auszubildende", sagt sie. Finanziert wird die wohnortnahe Reha komplett von der Agentur für Arbeit, von ihr erhält Hüseyin auch sein Lehrgeld. Die Isarwinkler Werkstätten führen lediglich die Beiträge zur Sozialversicherung ab.

Seit zwei Monaten nun ist Hüseyin in der Lehre, seine Begeisterung für das Bäckerhandwerk ist geblieben. "Einfach alles", gefällt ihm an seiner Arbeit. An diesem Donnerstagvormittag hat er Brezen gebacken, Kartoffelsemmeln vorbereitet, Croissants in Schokolade getaucht. Wie jeder andere Auszubildende muss er mehr und mehr Aufgaben in Eigenverantwortung übernehmen und mittags, bei Feierabend, seine To-Do-Liste abgearbeitet haben. Sein Arbeitsplatz muss picobello sein, wenn er nach Hause geht. Die Betreuung durch Katja Nickels geht mit der Abschlussprüfung zu Ende. Dann muss Hüseyin seinen Weg als Bäckergeselle alleine gehen.

© SZ vom 07.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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