Bad Heilbrunn:Schlechte Zeiten für die Fichte

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Wolfgang Neuerburg (re.) und Ragnar Wende (2.v.r.) erklären im Moorwald bei Nantesbuch das Projekt der "Initiative Zukunftswald". (Foto: Manfred Neubauer)

Der Klimawandel verändert auch die Forste: Wo früher mit den Nadelbäumen schnell viel Holz gewonnen werden konnte, müssen die Besitzer heute auch Laubbäume pflanzen, um die Wälder zu stabilisieren - das aber ist aufwendig

Von Ingrid Hügenell, Bad Heilbrunn

Der Klimawandel ist eine Gefahr für die Wälder. Häufigere und stärkere Stürme bringen die Bäume ins Wanken und werfen viele um. Besonders Fichten mit ihren sehr flachen Wurzeln sind gefährdet, wie zuletzt Orkan Niklas Ende März 2015 gezeigt hat. Zudem profitiert der Borkenkäfer von höheren Temperaturen, auch das schädigt die Fichten. Ganze Schläge können durch Wind und Käferbefall vernichtet werden, zum Schaden der Waldbesitzer, weil dadurch auch die Holzpreise in den Keller fallen.

Die staatliche bayerische Forstwirtschaft reagiert darauf mit der "Initiative Zukunftswald Bayern", die die Wälder vielfältiger und damit widerstandsfähiger machen soll. Das Forstamt Holzkirchen, zuständig auch für den Landkreis, ist mit drei Projekten daran beteiligt. Zwei der Projekte sind im Landkreis angesiedelt, das dritte, ein Bergwaldprojekt, im Landkreis Miesbach.

Die übergeordneten Ziele sind, Mischwälder zu fördern und den Naturschutz mit der Waldnutzung in Einklang zu bringen. Und eine der wichtigsten Maßnahmen vielerorts heißt: Fichten raus aus dem Wald. Laubmischwälder sind durch ihre Vielfalt stabiler, können sich veränderten Bedingungen wie Trockenheit im Sommer besser anpassen und bieten mehr Tieren einen Lebensraum. Um diese Ziele zu erreichen, muss das Forstamt auch die privaten Waldbesitzer überzeugen, von der Fichte wenigstens teilweise abzurücken. Im Rahmen der Projekte gibt es immer wieder Waldbegehungen, bei denen Waldbesitzern, der Öffentlichkeit und auch Vertretern von Naturschutzorganisationen gezeigt wird, wie man schwierige Standorte pflegen und umbauen kann.

Der Klimawandel zwingt Waldbesitzer und Förster dazu, neue Methoden zu entwickeln. Zum Beispiel Waldpflege und Holzernte per Seilbahn. Ein Verfahren, das im Gebirge an steilen Hängen schon länger angewendet wird, wurde in diesem Jahr im Flachland erprobt, im Moorwald der Stiftung Nantesbuch. Es ist naturnah und schont den empfindlichen Waldboden. Den Erfolg zeigte das Forstamt kürzlich Vertretern des Naturschutzes und der Presse. Moore sind nicht nur Gebiete ohne Bäume, gerade an den Rändern können die Standorte auch bewaldet sein. Die Fichte, als "Brotbaum" der Waldwirtschaft beliebt, weil sie schnell und schön gerade wächst, hat außer dem Gebirge nur einen weiteren natürlichen Standort: eben den Moorwald, eine Waldart, die im Landkreis weit verbreitet ist. Neben Fichten wachsen dort vor allem Birken und Kiefern.

Das Problem: Der Boden ist sehr feucht, mit schweren Maschinen kommt man kaum in den Wald hinein. Das geht nur bei lang anhaltendem Frost, sonst sinken die Maschinen ein, die dünne Humusschicht im Wald wird schwer beschädigt. Da es aber immer seltener strenge Frostperioden gibt, würden viele Moorwälder kaum noch gepflegt, die Waldbesitzer könnten auch ihre Bäume oft nicht ernten, erklärt Forstdirektor Wolfgang Neuerburg in Nantesbuch.

In dem zehn Hektar großen Gebiet in der Gemeinde Bad Heilbrunn wurde im Januar 2016 deshalb ein Verfahren erprobt, bei dem eine temporäre Seilbahn im Wald installiert wird, auf der die Bäume quasi hinausschweben. Am Forstweg angekommen, werden sie mit einer Erntemaschine, einem Harvester, weiter verarbeitet.

Projektmanager und Förster Ragnar Wende erklärt im Wald das technisch aufwendige, aber schonende Verfahren: Für die Seilbahn wird ein Stahlseil vom Harvester auf dem Forstweg zu einem Ankerbaum im Wald gespannt, in etwa acht bis neun Metern Höhe. Im Nantesbucher Wald war es etwa 250 Meter lang. An diesem Seil hängt ein Laufwagen und an dem werden die Stämme der gefällten Bäume befestigt, mit den Kronen nach unten. Die Kronen schleifen auf ihrer Fahrt aus dem Wald über den Boden, beschädigen ihn aber kaum, vor allem dann nicht, wenn man die direkt in der Seiltrasse gefällten Bäume dort zum Schutz zunächst liegen lässt.

Dass das funktioniert, sieht man daran, dass überall im Nantesbucher Wald Heidelbeeren und Moose wachsen, darunter hübsche, bunte Torfmoose. Auch junge Bäume sprießen dort. Förster Wende hat zudem darauf geachtet, dass bei der Fällaktion keine gleichmäßige, sondern eine vielfältige Struktur entsteht, mit kleinen Lichtungen und Stellen, an denen die Bäume dichter stehen. Zusätzlich wurden einzelne, prägnante Bäume "freigestellt": Ihre Nachbarn, die ihnen das nötige Licht raubten, wurden entfernt. Davon profitiert etwa eine große Birke, auf die Wende deutet: "Die hat zwar keine große wirtschaftliche Bedeutung, bringt aber Stabilität in den Wald." Denn der Borkenkäfer mag Birken nicht, und im Sturm sind die Bäume mit ihren tiefen Wurzeln standfester als Fichten.

Während das Forstamt in Nantesbuch mit nur einem Besitzer, der Stiftung, zusammenarbeitete, sind bei dem zweiten Projekt, dem Isarleitenwald, etwa 100 Eigentümer im Spiel. "Die wollen wir bewegen, auch in Richtung stabiler Mischwald zu gehen", sagt Robert Nörr vom Forstamt. Der Isarleitenwald ist mit etwa 540 Hektar auch wesentlich größer. Das Projektgebiet liegt zwischen Ergertshausen und der nördlichen Landkreisgrenze. Die Waldbesitzer nennen in der Mehrzahl kleine Waldflächen ihr Eigen, nur wenige besitzen mehr als fünf Hektar. Weitere Eigentümer der Projektfläche sind die Stadt München und die Gemeinde Egling. Das große Thema dort laut Nörr: Schäden durch den Borkenkäfer. "Es gibt dort richtige Kahlflächen, aus denen alle Bäume entnommen wurden, weil sie vom Käfer befallen waren", sagt der Förster. Manche Lücken seien 50 auf 50 Meter groß, etwa ein Tagwerk.

An diesem Samstag, 19. November, wollen die Förster demonstrieren, wie man solche Flächen wieder aufbauen kann. Sind die Areale relativ klein, kommen vermutlich genug junge Bäume von selbst nach. Dann sollte man darauf achten, durch die Pflege die gewünschten Arten zu fördern, etwa Tanne, Ahorn und Buche. Auf großen Flächen müsse aber gezielt nachgepflanzt werden, sagt Nörr. Vorgesehen sind am Samstag eine Führung für allgemein Waldinteressierte und eine weitere für Waldbesitzer und fundierte Waldkenner. Treffpunkt ist das Waldstück in der Gemeinde Egling, das von der Straße zwischen Hornstein und Sachsenhausen durchquert wird. Dort beginnen die Führungen um 13.30 Uhr, sie dauern bis etwa 16 Uhr.

© SZ vom 18.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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