Bad Heilbrunn:Im Alpenhof wird aufgeräumt

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Das Pflegeheim in Bad Heilbrunn war durch öffentliche Kritik von Mitarbeitern in Verruf gekommen. Jetzt sollen eine neue Leitung, eine veränderte Hierarchie und das offene Ohr für die Angehörigen alles verbessern

Von Klaus Schieder, Bad Heilbrunn

Arnold Torhorst zieht sein Handy aus der Brusttasche. Darüber sei er jederzeit zu erreichen, "365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag", sagt der Geschäftsführer des ReAl-Verbunds Isarwinkel. Mit dieser Geste demonstriert er seinen Ärger über die Gruppe ehemaliger und aktueller Mitarbeiter, die Anfang August scharfe Kritik an den Zuständen in dem zum Verbund gehörenden Pflegeheim Alpenhof in Bad Heilbrunn geäußert hatte. Allerdings nicht ihm gegenüber, wie er sagt. Über Personalmangel, zu viele Überstunden, Defizite in der Pflege und Torhorsts Unerreichbarkeit klagten die Beschäftigten damals in der Presse. Für den Geschäftsführer verstießen sie damit gegen ihren Arbeitsvertrag. "Das ist ein Dienstvergehen." Strafanzeige will er aber nicht stellen. Auch ihm ist klar, dass im Alpenhof bislang einiges im Argen lag. Den Grund dafür sieht er in einem strikt hierarchischen System und einem Klima des Schweigens, das er ändern will.

Noch mehr als den Mitarbeitern zürnt er den Pflegedienstleitern im Alpenhof und im Reha-Zentrum Isarwinkel in Bad Tölz, die inzwischen gekündigt haben, auch auf Druck der Geschäftsführung hin. "Dreimal hintereinander" habe man die Erfahrung gemacht, dass sich da jemand an den Schreibtisch gesetzt und ihn nicht mehr verlassen habe, anstatt die Pflege der Bewohner sicherzustellen. Wer aber einen Arbeitsvertrag für eine solche Führungsposition unterschreibe, müsse wissen, was er zu tun habe, sagt Torhorst. "Ich muss in Treu und Glauben davon ausgehen, dass er weiß, was seine Aufgaben sind." Namen mag er nicht nennen. Im Pflegeheim Alpenhof wurde mit Peggy Bernhardt eine neue Pflegedienstleiterin ernannt. Sie folgt Michaela Schmiegel nach, unter der sich der rührige Förderverein des Alpenhofs aufgelöst hatte. Einem Angehörigen zufolge, der nicht namentlich genannt werden möchte, geschah dies aus Protest. Unter anderem seien gesellige Veranstaltungen wie die Weihnachtsfeier einfach gestrichen worden. "Das spricht für sich", meint Torhorst.

Künftig soll es einen gemeinsamen Förderverein fürs Reha-Zentrum und den Alpenhof geben. Auch für die Angehörigen sind regelmäßige Treffen vorgesehen, was eigentlich Standard ist. Dass dies in Bad Heilbrunn nicht mehr der Fall war, versteht der Geschäftsführer nicht. "Das darf nicht wahr sein. Ihr Wissen ist doch für uns eine ungeheure Erleichterung." Und wie es um den Umgang mit Mitarbeitern bestellt war, lässt ein anderer Satz von ihm erahnen: "Ich habe Verständnis für die Leute, die stockfrustriert sind, weil sie über Jahre in einer Einrichtung arbeiten und wissen, was die Bewohner brauchen, ihnen aber nicht zugehört wird." Das war auf dem Dienstweg von oben nach unten offenbar nicht viel anders. Auch Geschäftsführung und Verwaltung drangen bei den Pflegedienstleitern mit ihren Aufforderungen nicht recht durch. "Es gab ein richtiges Erschrecken, als wir festgestellt haben, da passiert nichts, das versackt", berichtet Sonja Jungmann, zuständig für die interne Qualitätskontrolle in den beiden Einrichtungen des ReAl-Verbunds.

Der will sich in seinem Sektor "Leben Pflege" nun neu aufstellen. Das Reha-Zentrum Isarwinkel für Menschen mit Demenz, neurologischen und psychischen Erkrankungen führt künftig der 41 Jahre alte Harald Faust als Einrichtungsleiter, während Torhorst selbst diese Funktion im Alpenhof weiterhin übernimmt, obgleich nur vorübergehend. Faust bezeichnet sich selbst als einen "Fan von Selbstlösungskompetenzen" und kündigt an, dass unter ihm fortan viel im Team entschieden werde. Auf seinen Rundgängen in den ersten drei Tagen gewann er ein Bild von seiner neuen Arbeitsstätte, das ihm genügt, um die Zeitungsberichte als "vollkommen verfälschend" zu apostrophieren.

Das sehen die Heimaufsicht des Landratsamts und der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MdK) mit seinem Auftraggeber, der Arbeitsgemeinschaft der Pflegeversicherungen in Bayern, jedoch anders. Beide kontrollieren, ob Pflegeeinrichtungen die gesetzlichen Vorgaben einhalten, beide übten in den vergangenen Wochen starken Druck auf Torhorst aus. Der sieht sich ein wenig zu Unrecht und stellvertretend für andere Heime an den Pranger gestellt. In dem Bemühen, horizontale durch vertikale Strukturen zu ersetzen und damit mehr Kommunikation zu ermöglichen, habe man seit einem Jahr schon "eine Fülle von Hausaufgaben" gemacht, sagt er. Selbstständig zu arbeiten sei zuvor "nicht unbedingt Stil des Hauses" gewesen. Das bekräftigt Edith Preiss, Wohnbereichsleiterin im Alpenhof. In den vergangenen anderthalb Jahren habe sie erfahren, dass ihre Ideen gehört und umgesetzt werden, "das kannte ich vorher nicht", sagt sie. Jener Gruppe von Mitarbeitern, die sich an die Presse wandte, ging dies offenkundig nicht so. Torhorts findet das "seltsam".

Für den Alpenhof hat der ReAL-Verbund einen freiwilligen Aufnahmestopp verfügt. Bis 31. Oktober will Torhorst eine Wiederholung der Qualitätsprüfung beantragen, die dann bis Jahresende vorgenommen werden kann. Danach obliegt es der Heimaufsicht im Landratsamt, den Aufnahmestopp wieder aufzuheben. "Eine existenzvitale Frage", wie der Geschäftsführer sagt. Nach den Kündigungen von 14 Mitarbeitern seit Anfang 2013 will er den latenten Personalmangel mit Verträgen für freiberufliche Fachkräfte überbrücken. Sieben sind bereits angestellt. Damit werde das Stammpersonal entlastet, das mehr Zeit für Behandlungspflege und Dokumentationen bekomme, sagt Alina Beller, stellvertretende Pflegedienstleiterin im Reha-Zentrum. Allerdings gab es auch da Probleme: Zwei Freiberufler erschienen betrunken zum Dienst und wurden entlassen.

© SZ vom 06.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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