Auszeichnung für Genossenschaftsprojekt:Einkauf in Wohlfühl-Atmosphäre

Lesezeit: 2 min

Der Geltinger Dorfladen bietet seinen Kunden nicht nur frische regionale Produkte, sondern auch Beratung und viel Zeit zum Ratschen. So wurde das Geschäft nun in Berlin zum "Dorfladen des Jahres" gekürt

Von Thekla Kraußeneck, Geretsried

Die Eier sind aus Münsing und Dietramszell, die Brote aus Königsdorf, die Kartoffeln aus dem eigenen Ort: Im Dorfladen des Geretsrieder Ortsteils Gelting kommt die Region zusammen. Geretsrieder kaufen in ihm genauso ein wie Wolfratshauser. "Man trifft sich, der Laden bietet eine Grundversorgung für Jung und Alt, und er stiftet Identität", sagt der Geltinger Kunde Thomas Vielreicher, der von Anfang an in dem kleinen Geschäft in der Ortsmitte einkauft und auch Genossenschaftsmitglied ist. "Irgendjemand hat immer Zeit zum Ratschen. Da macht es dann auch nichts, wenn einer mal ein bisschen länger braucht, weil er sich noch an der Kasse unterhält."

Der Geltinger Dorfladen ist ein Ort zum Wohlfühlen. Dafür ist er am 20. Januar auf der Grünen Woche in Berlin zum Dorfladen des Jahres gekürt worden - ein Geburtstagsgeschenk für das genossenschaftlich betriebene Geschäft, das heuer sein zehnjähriges Bestehen feiert. Die Aufsichtsratsvorsitzende Silke Nöller-Granget und die Teamleiterinnen Sigrid Stumvoll und Claudia Thut nahmen die Auszeichnung entgegen. Für den bayerischen Dorfladen-Berater Wolfgang Gröll, der im Rahmen der Preisverleihung in Berlin zu hören war, sind es "die Freude und Motivation der Mitarbeiter, die freundliche Ansprache der Kunden, qualifizierte Produktempfehlungen und das Gespür für die individuellen Wünsche", die einen Dorfladen auszeichnen. Dieser sei mehr als ein Supermarkt, weil er multifunktional sei: Ort der Begegnung für die Dorfbewohner, Raum für Vereinstreffen, Kaffeekränzchen oder Seniorentreffs. All das trifft auf den Geltinger Dorfladen zu, obwohl er die Runden nicht selbst organisiert: Wie von selbst finden sich Wander- und Seniorengruppen in der Café-Nische ein, es gibt einen Hausfrauentreff und dienstags eine Schafkopfrunde. "Es kommen einfach immer dieselben", sagt Stumvoll. "Das weiß man dann schon."

Besonderes Einkaufserlebnis: Kunde Thomas Vielreicher (links) kommt gern in den Geltinger Dorfladen, weil der für ihn auch "Identität stiftet", wie er sagt. Dazu gehört auch, dass er sich an der Kasse Zeit für einen kleinen Plausch mit Marktkraft Serena Schlechte nimmt. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Der Dorfladen trägt sich inzwischen - durch die Backwaren, die ihm die Königsdorfer Backstube liefert, und durch die Handwerker aus den Industriegebieten in Gelting und Wolfratshausen, die in ihrer Mittagspause kommen, um schnell eine Brotzeit zu essen und ein Bier zu trinken. Im Sommer können sie das im kleinen Biergarten vor dem Laden tun, die Tische sind dann jeden Tag voll. Das Geschäft hat sich etabliert - eine Voraussetzung für den Preis um den Titel als Dorfladen des Jahres. Mindestens fünf Jahre lang muss es das Geschäft bereits geben, lautet eine weitere Bedingung. Wer sich bewirbt, muss außerdem die Besonderheiten seines Dorfladens aufzählen. "Wir bringen vielseitige Aspekte mit", sagt Thut, "wir sind nicht nur Laden, wir sind auch Biergarten und Café, wir sind sozialer Mittelpunkt." Außerdem sei der Dorfladen komplett ohne Fördermittel ausgekommen, denn die habe es vor zehn Jahren noch nicht gegeben. Heute können Gemeinden und Genossenschaften einen Zuschuss beantragen, um ihr Projekt anzustoßen.

Der Geltinger Dorfladen musste allein klarkommen. "Besonders das erste Jahr war sehr hart", sagt Stumvoll. Der Laden war noch zu unbekannt, schrieb rote Zahlen. "Wir wussten überhaupt nicht, ob wir ihn durchbringen." Doch nach und nach sprach sich der Dorfladen herum: Kannten ihn anfangs noch nur die Geltinger, begann sich der Kundenstamm bald über die Ortsgrenze hinaus auszudehnen. "Nur von den Geltingern hätte der Laden nicht überleben können", sagt Stumvoll.

Ausgezeichnet: Die Teamleiterinnen Sigrid Stumvoll (links) und Claudia Thut legen großen Wert darauf, dass die Kunden gut beraten werden. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Das Geschäft verfügt über 100 Quadratmeter und gehört damit im Schnitt zu den größeren Dorfläden. Das Sortiment umfasst außer Käse, Wurst, Backwaren, Feinkost und den typischen Einzelhandelswaren wie Zucker, Nudeln und Milch auch Fisch, der alle drei bis vier Wochen vom Starnberger See geliefert wird. Derzeit wird eine Weihrauchsalbe angeboten, dazu Liköre von einer kleinen Brennerei. Der Arbeitskreis Historisches Geretsried bietet im Laden seine Geretsrieder Hefte an, die Autorin eines spiralgebundenen Buchs ihre Kochrezepte. "Wir gehen auf jeden Kunden einzeln ein", sagt Thut. Wurst- und Käsescheiben werden abgezählt, Frischkäse wird portioniert, falls gewünscht gibt es noch eine Gurke dazu. Wer die Brotzeit direkt im Laden essen will, bekommt einen Teller dazu. "Es ist sehr, sehr persönlich."

© SZ vom 29.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: