Ausstellung in Benediktbeuern:Alles bleibt im Rahmen

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Frank Fischer hat die Kunstaktion "W(Erd)schätzung" initiiert, die nun um die Welt geht

Von Susanne Hauck, Benediktbeuern

Als er den weißen Stoffrahmen aus dem Rucksack nahm und ihn behutsam um einen Pflanzkübel mitten auf dem Roten Platz in Moskau legte, sei ihm schon etwas mulmig gewesen, erinnert sich Hans März. Vor allem, als sich ein gestrenger Polizist näherte und Auskunft über sein Treiben verlangte. Der aber dann gutmütig lächelnd wieder abzog, als März auf Englisch etwas von einem Kunstprojekt murmelte. "Ein bisschen sich was trauen muss man schon", sagt er lachend. Nun ist sein Foto von den bunt blühenden Blumen im monumentalen Stadtzentrum Teil eines Gesamtkunstwerks im Zentrum für Umwelt und Kultur (ZUK) in Benediktbeuern geworden.

Ein Rahmen aus Stoff kann überall hin mitgenommen werden zum Beispiel auf den Roten Platz (Foto: Privat)

Hundert Bilder sind an einer großen Rauminstallation aus filigranen Stäben befestigt, die in einem Humus-Fundament stecken. Alle zeigen sie ein weißes Stoffquadrat, das ein Fleckchen Erde rahmt: golden strahlende Herbstblätter, runde Isarkiesel, ein romantisches Bachbett, Sandwüste, eine Moorlandschaft, aber auch Autoreifen auf einer wilden Müllkippe. "Es geht hier nicht um einen Fotowettbewerb", beeilt sich Frank Fischer bei der Vernissage am Freitag zu seinem Projekt "W(Erd)schätzung" vorauszuschicken, das zu verstehen ist als Wortspiel aus Wertschätzung und Erde.

Hinter dem so esoterisch wie verkopft wirkenden Namen steckt eine überzeugend einfache Idee. Der unter dem Künstlernamen "Freifrank" arbeitende Weilheimer kämpft dafür, dass die Menschen achtsamer mit der Natur umgehen. Dafür bittet er die Teilnehmer, zu einem Platz zu gehen, zu dem sie eine besondere Beziehung haben. Dort sollen sie das handgefertigte Stoffquadrat auslegen, einige Minuten bewusst innehalten und die Aktion anschließend fotografisch dokumentieren. So wird das Fleckchen Erde zu etwas Außergewöhnlichem, indem es wie ein Kunstwerk gerahmt ist. Fischer will die Menschen zu einer bewussten Begegnung mit der Erde hinführen.

Auch im Kloster Benediktbeuern wurde ein Stoffrahmen platziert. (Foto: Privat)

Der Künstler sieht seine eigene Rolle eher bescheiden und zitiert lieber Joseph Beuys, von dem der Ausspruch stammt, dass jeder Mensch ein Künstler sei. "Meine Aufgabe ist es, die Kunstwerke sichtbar zu machen", erklärt er. "Alle Beteiligten erleben sich als spontane Künstler und verbinden sich auf ihre eigene Weise mit der Erde und den Mit-Menschen." Zusammen mit Co-Künstlerin Gabriele Frosch fügt er die Bilder und ihre Geschichten zu einer multimedialen Gesamtschau im Internet, im Film und auf Ausstellungen zusammen. So ist zurzeit das Zentrum für Umwelt und Kultur (ZUK) in Benediktbeuern Partner des Kunstprojekts.

Vor eineinhalb Jahren hat Fischer begonnen. Seitdem haben 250 Menschen mitgemacht, sich den weißen Rahmen von ihm ausgeliehen und ihm Fotos von ihrem Lieblingsplatz zugesandt. Mal kommen die Bilder vom Garten vor der Haustür, mal von weit her - aus Bali oder Afrika. Denn viele nehmen ihren Rahmen mit auf Reisen, so ist das Projekt auf dem besten Wege, weltumspannend zu werden. Und Städter hätten schon gerührt Ansichten von Grashalmen geschickt, die sich mühsam durch rissiges Betonpflaster nach oben kämpfen.

Künstler Frank Fischer und Kollegin Gabriele Frosch präsentieren die Ergebnisse. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die einen heben anklagend den Finger, um auf Umweltsünden aufmerksam zu machen, die anderen freuen sich einfach an der Schönheit der Natur, für die nächsten ist es ein spirituelles Erlebnis. Man könne bei der Aktion nichts falsch machen, das hat Claudia Glovana gefallen. "Ich bin so etwas wie ein Schneekind", sagt die gebürtige Lenggrieserin, die in Weilheim lebt. Sie hat ihren Bilderrahmen um eine zähe kleine Latschenkiefer gelegt, oben am tief verschneiten Berg im Salzburger Pongau. "Ich denke dann an meinen Vater, der ein Gebirgler war und auf dessen Grab eine Latschenkiefer wächst." Auch Ana Lopez erzählt die Geschichte hinter ihrem Bild, wunderschön lila blühende Herbstzeitlosen in der Gegend von Pähl. "Mehrere Wochen habe ich den Rahmen mit mir herumgetragen, auf den richtigen Moment gewartet, mich mit Mutter Erde zu verbinden", sagt sie. Die Aktion findet sie toll: "Man spürt die gemeinsame Energie, und es ist eine Supersache, um das Bewusstsein zu stärken."

Den Rahmen kann man im ZUK ausleihen ; auf dem Foto soll er ganz zu sehen sein. Die Szene mit dem Rahmen einmal mit und einmal ohne Person fotografieren und mit Ortsangabe und einem persönlichen Text einsenden. Ausstellung im ZUK bis 8. Dezember, täglich 9 bis 17 Uhr; www. zuk-bb.de

© SZ vom 11.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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