Ausstellung in Bad Tölz:Bilder jenseits der Klischees

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Macht Polaroid-Fotografien, teils in Originalgröße oder stark vergrößert, durch Bearbeitung zu einer eigenen Kunstform: Markus Elsner. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Markus Elsner fotografiert seit 35 Jahren mit Sofortbildkameras und unterzieht die Bilder einer kreativen, analogen Manipulation. Unter dem Titel "instant xxl" sind sie derzeit im Tölzer Kunstsalon zu sehen

Von Petra Schneider, Bad Tölz

Markus Elsner spricht über seine Polaroidfotografien wie über lebende Wesen. Mit dem Finger oder der Rückseite eines Stifts drückt er in den Geburtsminuten eines Bildes behutsam auf dessen Oberfläche. "Aber ich verletze es nicht", betont er. So, wie man das Blut unter der Haut verschieben kann, verschiebt er Entwicklungs- und Fixierflüssigkeiten, ehe sie nach etwa 40 Minuten trocknen. So entstehen Dellen, Linien oder Figuren, die erst bei entsprechender Vergrößerung zu erkennen sind und ganz eigene Bilderwelten formen.

Manche seiner Polaroids lässt er einscannen und auf bis zu zehn Quadratmeter Größe ziehen. Die meisten seiner knapp 50 Fotoarbeiten, die bis zum 25. Juli unter dem Titel "instant xxl" im Kunstsalon ausgestellt sind, sind in Originalgröße zu sehen - mit dem typischen weißen Rand und der Tasche, in der sich die Chemikalien verbergen. Der 56-Jährige, der Kunstgeschichte, Geschichte und Politologie studiert und als Journalist gearbeitet hat, lebt als freischaffender Fotokünstler in Frankfurt. Seine Arbeiten hat er in diversen Ausstellungen unter anderem in Bonn, Düsseldorf und Oxford gezeigt. Neben(Stadt-)Landschaften gehören Portraits und neuerdings auch Frauenakte zu seinen Themen. Seit 35 Jahren fotografiert er mit den klobigen Sofortbildkameras. Elsner liebt den typischen Blau- und Gelbstich der Polaroids, eine Eigenheit der Technik, die für ihn kein Nachteil ist. Denn er will Wirklichkeit nicht abbilden, sondern sie verfremden und Irritationen auslösen. Bereits in den 1970er Jahren haben Künstler wie Andy Warhol oder David Hockney den chemischen Transformationsprozess der Polaroidkamera für kreative Experimente genutzt, auch in Zeiten der Digitalfotografie sind sie nie aus den Galerien verschwunden. Der "Polaroid-Pop" gebe den Bildern das Schwebende, sagt Elsner. Wie in seiner Arbeit "Paris" zum Beispiel, ein Gewirr von Hausdächern, getaucht in ein diffuses Gelb. Am Bildhorizont, schmal und unbedeutend, der Eiffelturm. Ein melancholisches Bild jenseits touristischer Klischees. "Kein Mensch hätte Paris an diesem Tag so gesehen", sagt Elsner. Aber die Polaroidkamera habe ihm eben diesen Blick angeboten.

Er fügt bei seinen Bildern nichts hinzu: Keine Farben, auch eine nachträgliche Bearbeitung mit Fotoshop kommt für ihn nicht in Frage. Bei der digitalen Fotografie fehle ihm die Konzentration. Da werde wild herum geknipst, weil man ja alles nachträglich bearbeiten könne. Für ihn ist der Moment des Auslösens "heilig": Einatmen, ausamten, auslösen. Dann bleiben ihm höchstens 40 Minuten für seine kreativen Manipulationen. Manchmal verstärkt oder schwächt er die Farben durch Wärme oder Kälte. Dann legt er das frische Polaroid in den Gefrierschrank oder in den Schnee - verwischen kann nichts, denn das chemische System seiner SX 70 Kamera ist geschlossen. Wenn er die Farben intensiver will, dann wärmt er das Foto an seinem Körper, "nah am Herzen." Viele seiner Bilder wirken wie Gemälde, "aber malen kann ich nicht", sagt er. Das Haus, das er im holländischen Texel fotografiert hat zum Beispiel, ein surreales Geisterhaus: Die Oberfläche verschwommen, nur ein Straßenschild ist gestochen scharf. Im Jahr 2008 stellte Polaroid die Produktion von Sofortbildkameras und Filmen ein. "Sehr bitter", nennt Elsner diese Zäsur. Als Lücken bei der Versorgung mit Filmen entstanden sind, ist er auf die Digitalkamera umgestiegen, mit der er etwa die Serie "Tanz im Wasser" fotografiert hat": Eine nackte Modern-Dance-Akteurin in einem fast blendend-blauen Wasser. Elsner ist er froh, dass die Sofortbildfotografie nicht gestorben ist, sondern einen regelrechten Boom erlebe. Dies sei einem "verrückten Holländer und einem verrückten Österreicher" zu verdanken, die vor fünf Jahren damit begonnen haben, in der ehemaligen Polaroid-Fabrik in Enschede Filme für Sofortbildkameras zu produzieren: Unter dem Firmennamen "Impossible Project", in kleinem Rahmen und zunächst mit bescheidenem Erfolg. Denn die Rezeptur der Chemikalien hat Polaroid nicht preisgegeben. Entsprechend blass seien die Farben der ersten Charge gewesen, sagt Elsner. Inzwischen ist die Qualität besser. Auch Elsner verwendet "Impossible"-Filme, nach wie vor machen Sofortbilder 70 Prozent seiner Arbeiten aus. Nicht nur aus ästhetischen oder nostalgischen Gründen: "Das Wunderwerk entwickelt sich in meiner Hand, und ich kann damit weiterarbeiten."

"instant xxl": Vernissage, heute 19 Uhr, Kunstsalon Marktstraße 6. Ausstellung bis 25 .Juli, geöffnet freitags und samstags, 14 bis 18 Uhr, zudem Sonntag, 5. Juli, und nach Vereinbarung.

© SZ vom 03.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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