Aus dem Oberlandesgericht:"Jetzt kriegen wir sie raus"

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Verfahren zeigt: Im Penzberger Seniorenheim-Streit ist so schnell keine Einigung zu erwarten

Von Benjamin Engel, München/Penzberg

Im Verfahren vor dem Oberlandesgericht München (OLG) hat der Seniorenheimbetreiber Novita am Mittwoch vor allem Zeit gewonnen. Die Novita hatte per einstweiliger Verfügung im September des Vorjahres erwirkt, das Alten- und Pflegeheim in Penzberg nutzen und betreten zu dürfen. Das hatte das Landgericht München II bestätigt, wogegen die Thomas-Wimmer-Stiftung, die Eigentümerin des Grundstücks, Berufung eingelegt hatte. Jetzt haben die Streitparteien das Verfahren über die einstweilige Verfügung für erledigt erklärt. Damit kann die Novita das Alten- und Pflegeheim betreiben, bis der Prozess im Hauptverfahren entschieden ist - längstens bis 2022. Die Stadt Penzberg und die Thomas-Wimmer-Stiftung werden den unmittelbaren Besitz der Novita solange nicht infrage stellen.

Für Außenstehende ist die Auseinandersetzung schwer zu verstehen, weil es zwei parallele Verfahren gibt. Die Stadt Penzberg hatte im Sommer 2018 das Seniorenzentrum an der Gartenstraße an die Thomas-Wimmer-Stiftung verkauft. Deren Leitung will nicht mit der Novita zusammenarbeiten. Daraus entwickelte sich der Gerichtsstreit. Im März dieses Jahres hatte das Landgericht München II im Hauptverfahren entschieden, dass der neue Eigentümer der Novita einen bis Ende 2022 befristeten Mietvertrag vorlegen muss. Dagegen wurde ebenfalls Berufung eingelegt.

Daher stellte der Vorsitzende Richter am OLG, Matthias Ruderisch, klar, dass diesmal über das Hauptverfahren nicht verhandelt werde. Es werde nur über die einstweilige Verfügung entschieden, nicht darüber, ob die Thomas-Wimmer-Stiftung verpflichtet sei, mit der Novita einen Mietvertrag zu schließen. "Es ist tatsächlich relativ wenig, über was wir heute verhandeln", sagte Ruderisch. "All das, was spannend ist, können wir nicht entscheiden." Zu reden sei nur über Besitzschutz.

Begonnen hat der Streit um das Seniorenzentrum, als der Bezirksverband Oberbayern der Arbeiterwohlfahrt (AWO) den Betreibervertrag mit der Stadt Penzberg - der damaligen Grundstückseigentümerin - kündigte. Beide Seiten einigten sich darauf, dass die AWO selbst einen Nachfolger bestimmen dürfe. Die Wahl fiel auf die Novita. Doch die Stadt Penzberg fürchtete, dass der neue Träger in Kooperation mit einem Investor das Altenheim zu einem Objekt für Kapitalanleger machen würde - und verkaufte.

Als die einstweilige Verfügung zur Nutzung der Immobilie durch die Novita am 17. September 2018 erlassen wurde, war die Thomas-Wimmer-Stiftung noch gar nicht Eigentümerin des Grundstücks. Wie der Verteidiger der Novita, Franz Michael Koch, erklärte, habe die Stiftung über die Presse erklärt, den Zutritt zur Immobilie zu verweigern. Auf einen Mietvertrag hätten sich beide Seiten nicht einigen können. Daher hätten sie die einstweilige Verfügung beantragt. Zum 1. Oktober habe die Novita das Altenheim dann formaljuristisch als Betreiber übernommen. Die AWO habe sämtliche Schlüssel übergeben. Aus Sicht des Vorsitzenden Richters seien die Argumente für eine einstweilige Verfügung recht dünn, falls die Thomas-Wimmer-Stiftung nicht angekündigt habe, die Schlösser auszutauschen oder die Polizei vor der Tür zu postieren.

Als Streitlösung könnte sich die Novita vorstellen, das Grundstück zu erwerben. Sich die Besitzrechte von der Thomas-Wimmer-Stiftung abkaufen zu lassen, stehe nicht zur Debatte, sagte Novita-Geschäftsführer Christoph Hofmann nach Verhandlungsende. Wie die Gegenseite zeigte auch er sich für das Hauptverfahren zuversichtlich. "Wir wissen, dass wir jetzt vier Jahre Ruhe haben", so Hofmann. Wie Verteidiger Koch ergänzte, könnte der Fall auch bis zum Bundesgerichtshof gehen. Max von Heckel, stellvertretender Vorsitzender der Thomas-Wimmer-Stiftung, hatte das Gefühl, dass das Urteil der vorherigen Instanz im Hauptverfahren nicht bestehen bleibe. "Jetzt kriegen wir sie raus", sagte er.

© SZ vom 31.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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