Aus dem Amtsgericht:Teurer Ausraster

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Richter verurteilt 37-Jährigen wegen sexistischer Beleidigungen

Von Benjamin Engel, Wolfratshausen/Geretsried

Offenbar betrinkt sich der 37-jährige Angeklagte regelmäßig besinnungslos. "Meistens liegt er irgendwo", sagte ein Streifenpolizist diese Woche vor dem Wolfratshauser Amtsgericht. "Immer ist Alkohol mit im Spiel." In diesen Situationen sei der Mann schwer einzuschätzen.

Am 28. Dezember des vergangenen Jahres rastete der Angeklagte völlig aus. Passanten hatten ihn auf einer Wiese am Bürgermeister-Graf-Ring gefunden und die Rettung alarmiert. Von den Sanitätern wollte sich der Mann mit seinem gebrochenem Nasenbein nicht behandeln lassen, auch nicht, als ihn Polizisten in die Wolfratshauser Kreisklinik begleiteten. Dort trat er um sich, beleidigte eine Polizistin äußerst sexistisch und wurde schließlich in die psychiatrische Abteilung nach Agatharied eingeliefert.

Im Sitzungssaal des Gerichts erklärte der Angeklagte nun, dass er bereit sei, eine Geldstrafe zu zahlen, nur müsse er das finanziell stemmen können. Daher hatte er gegen den Strafbefehl Einspruch eingelegt, weswegen am Mittwoch öffentlich vor Gericht verhandelt wurde. Doch für den Mann wurde es teurer. Richter Helmut Berger verurteilte den Angeklagten zu einer Geldstrafe in Höhe von 3000 Euro wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung. Laut Strafbefehl wären es nur 1800 Euro gewesen. Aufgrund seiner Einkommensverhältnisse musste die Tagessatzhöhe jedoch angehoben werden.

Seit vier Jahren lebt der gebürtige Rumäne schon in Deutschland. Um vor Gericht auszusagen zu können, musste er sich von einer Dolmetscherin helfen lassen. Er sei lange mittellos gewesen, sagte der Angeklagte. An dem besagten Dezembertag habe er von Mitternacht bis in der Früh eine Flasche Rum getrunken, anschließend im Geltinger Gewerbegebiet Zigarettenstummel und Pfandflaschen gesammelt. "Ich habe in den Tag hineingelebt", sagte er. Dann sei er gestürzt, könne sich nur noch erinnern, wie er im Krankenhaus wieder zu sich gekommen sei. "Ich stand da plötzlich mit Handschellen."

Zu seiner Zeit im Krankenhaus sagt der Angeklagte, dass er nie das Gefühl gehabt habe, dass man ihm dort habe helfen wollen. Er habe nur gehen und sich nicht behandeln lassen wollen. "Ich kann mich nicht erinnern, dass ich die Polizistin beleidigte", sagte er. Auch habe er nicht versucht, Ärzte zu treten.

Als die Polizisten am 28. Dezember vergangenen Jahres gegen 8.30 Uhr im Geltinger Gewerbegebiet eintrafen, lag der Angeklagte bereits im Rettungswagen. Er sei ganz ruhig gewesen, schilderte eine junge Polizistin die Situation. Die Sanitäter hätten berichtet, dass sie den Mann bewusstlos liegend aufgefunden hätten. Im Rettungswagen habe sich der Aushilfsarbeiter geweigert, sich behandeln zu lassen. Der Mann sei ausgestiegen, gestolpert und habe sich das Nasenbein gebrochen.

Auch noch auf der Fahrt ins Krankenhaus war der Mann nach Aussage der Polizistin ruhig geblieben. "Er war sehr alkoholisiert und hatte glasige Augen", berichtet die Polizistin. Ihrem Eindruck nach sei er zeitlich und örtlich nicht ganz orientiert gewesen. Den Ärzten habe es zu gefährlich erschienen, ihn ohne Behandlung aus dem Krankenhaus zu entlassen. Daraufhin sei der Angeklagte nervös und aggressiv geworden. Zwei zusätzliche Polizisten seien alarmiert worden.

"Er ist ständig von der Behandlungsliege aufgestanden und hat uns angeschrien", schildert die Polizistin. Als Ärzte aufgetaucht seien, wäre der Angeklagte auf diese zugegangen, hätte mit dem Fuß auf den Boden gestampft und einen Schrei ausgestoßen. Dann habe er ihre Hände gepackt, so die Polizistin und hätte das Behandlungszimmer verlassen wollen. Der Angeklagte habe sie dabei beleidigt, habe auf ihre Hüften gestarrt und mit der Zunge Schleckbewegungen gemacht. Ein Gespräch mit dem Mann sei praktisch nicht möglich gewesen, fügte ein anderer Polizist hinzu.

Aus Sicht des Gutachters sei der Angeklagte zwar durchaus orientiert gewesen. Das schließe er beispielsweise daraus, dass der Mann für seine sexistischen Entgleisungen gezielt die Polizistin ausgesucht habe. Eine verminderte Steuerungsfähigkeit lasse sich aber auch nicht ausschließen.

Verständnislos zeigte sich der Staatsanwalt, dass jemand Menschen so angehe und beleidige, die nur helfen wollten. Er forderte eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 40 Euro, also insgesamt 4800 Euro. Richter Berger schlug dem Angeklagten vor, den Einspruch zurückzunehmen. Spreche er ein Urteil, müsse es wegen der Einkünfte des Mannes teurer werden als im Strafbefehl. Zur Rücknahme erklärte sich der Angeklagte bereit, nur der Staatsanwalt stimmte nicht zu.

In der Urteilsbegründung erklärte der Richter, nicht nachvollzuziehen zu können, warum sich der Mann so aufgeführt habe. "Sie machten sexistische Beleidigungen, die wirklich unterste Schublade sind", sagte er. Billiger als mit 3000 Euro Geldstrafe könne er den Angeklagten deshalb auch nicht davonkommen lassen, so der Richter.

© SZ vom 21.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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