Aus dem Amtsgericht:Polizei muss Zeugen holen

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Prozess um mutmaßliche Schläge gegen Flüchtling unterbrochen

Von Benjamin Engel, Geretsried

Der zweite Prozesstag in der Verhandlung gegen einen 30-jährigen Sicherheitsmitarbeiter der zentralen Geretsrieder Flüchtlingsunterkunft ist geplatzt. Kollegen hatten den Franken schwer belastet, ihm vorgeworfen, einen 16-jährigen Bewohner im Vorjahr nur deshalb geohrfeigt zu haben, weil dieser abends zu spät in das Gebäude zurückgekehrt sei und nicht putzen wollte. Zudem soll der Mann Flüchtlinge schikaniert haben. Doch am Dienstag erschienen zwei zur Zeugenaussage geladene Sicherheitsmitarbeiterinnen nicht vor dem Wolfratshauser Amtsgericht. Die Verhandlung war nach wenigen Minuten vorerst beendet und soll Anfang August fortgesetzt werden.

Gegen die beiden abwesenden Frauen verhängte Richter Urs Wäckerlin ein Ordnungsgeld in Höhe von jeweils 300 Euro, ersatzweise eine Ordnungshaftstrafe von fünf Tagen. Außerdem werden Polizeibeamte die Zeuginnen zum nächsten Prozesstermin vor Gericht persönlich vorführen. "Ich werde kein Urteil sprechen, ohne die beiden gehört zu haben", erklärte Richter Wäckerlin.

Eine der Zeuginnen - eine 28-jährige Sicherheitskraft - soll einem Kollegen erzählt haben, dass der Angeklagte den minderjährigen Flüchtling geschlagen und von ihr gefordert habe, nichts weiterzusagen. Trotz mehrmaliger schriftlicher Aufforderung war die Frau bereits zum ersten Prozesstermin vor drei Wochen nicht erschienen. Kurzfristig hatte sie ein ärztliches Attest beim Wolfratshauser Amtsgericht eingereicht.

Vor dem zweiten Verhandlungstag setzte die Sicherheitskraft das Ping-Pong-Spiel mit dem Gericht fort. Auf die erneute Vorladung hatte die Zeugin schriftlich geantwortet, dass sie am Montag, 10. Juli, einen Antrag auf Schwerbehinderung gestellt habe. Dies begründete sie mit einer Augenkrankheit, die sie erblinden lasse. Ohne Begleitperson könne sie nicht rund 300 Kilometer von ihrem Wohnort bis zum Wolfratshauser Amtsgericht anreisen. Die Frau fragte bei Gericht an, ob sie nicht schriftlich vor der Polizei aussagen und das Protokoll im Sitzungssaal vorgelesen werden könne.

Wie Wäckerlin erklärte, sei es aus rechtlichen Gründen nicht möglich, eine Vernehmung durch eine schriftliche Erklärung zu ersetzen. Der Zeugin habe er mitgeteilt, dass sie verpflichtet sei, persönlich zu erscheinen. Für ihre Reisekosten könne sie eine Entschädigung beantragen. Zuletzt hatte die Frau ein ärztliches Attest vorgelegt, wonach sie aus gesundheitlichen Gründen nicht vor Gericht erscheinen könne. Das sei eine unzureichende Begründung, sagte Wäckerlin.

Wie ein Sicherheitsmitarbeiter bereits ausgesagt hat, habe der Angeklagte mit der Frau Ärger gehabt. Diese habe nicht ordnungsgemäß gearbeitet. Als Schichtleiter sei der Angeklagte aber für alle Fehler des Personals verantwortlich gemacht worden. Doch auch weitere Vorwürfe von Kollegen - diese sind allerdings nicht Teil der Anklage - wiegen schwer. So soll der Mann Flüchtlinge um 6 Uhr morgens mit Fußtritten gegen deren Container geweckt und geschrien haben, dass "Tiere" aufstehen müssten.

© SZ vom 26.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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