Aus dem Amtsgericht:Kein klares Bild

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Ein Auszubildender wird vom Vorwurf der Körperverletzung freigesprochen. Verurteilt wird er aber in einem anderen Fall

Von Barbara Briessmann, Bad Tölz

Als "Angriff aus dem Nichts" schildert das Opfer den Vorfall vor der Sparkasse am Bahnhof von Bad Tölz vor Gericht. Der Angeklagte sei aus seinem Auto ausgestiegen, auf ihn zugerannt und habe ihm "drei oder vier Schläge" verpasst. "Das war's", so der 21-Jährige, der Prellungen an Jochbein, Nase und Stirn erlitten hat, "und ich bin zur Polizei."

Die Version des Auszubildenden auf der Anklagebank hat vorher ganz anders geklungen. "Was erzählst du für Geschichten?", fragt er den Zeugen während dessen Aussage. "Da stimmt kein einziges Wort." Ein anderer, der bei der Tat dabei war, kann die Widersprüche auch nicht auflösen. Deswegen werden noch drei Zeugen geladen, die am Dienstag im Amtsgericht Wolfratshausen Licht ins Dunkel bringen sollen, ob der Tölzer wirklich eine vorsätzliche Körperverletzung begangen hat. Und tatsächlich wird er von diesem Vorwurf freigesprochen.

Am 16. September vergangenen Jahres wollte der Angeklagte ein Wochenende in Bad Tölz verbringen. Unter der Woche lebt er bei seiner Tante in München. "Ich brauchte Geld, fuhr zur Sparkasse in Bad Tölz, um welches abzuheben." Dort sei eine Gruppe von Jugendlichen gestanden, die er alle mehr oder weniger gut gekannt habe. Das spätere Opfer sei auf ihn zugegangen, habe ihn beleidigt, sie hätten gestritten. Dann sei der andere auf ihn zugesprungen. Er habe ihn mit der Faust auf Distanz gebracht. An drei Schläge könne er sich erinnern, die Hiebe seines Kontrahenten hätten ihn verfehlt. "Ich kam mir selbst blöd vor, mich vor der Sparkasse zu prügeln", sagte der Angeklagte. Deswegen habe er sich dann umgedreht, sei zum Auto gegangen und weggefahren.

Nach den weiteren Zeugenaussagen kam selbst die Staatsanwältin zu dem Schluss, dass von einem "Blitzangriff" keine Rede mehr sein könne. Denn die anderen Anwesenden am Tatort hatten alle versichern können, dass die beiden Gegner erst gestritten haben, bevor die Fäuste flogen. Selbst als ein Dritter dazwischen ging, habe das so genannte Opfer nicht aufgehört, weiter in Richtung des Angeklagten zu schlagen. Deswegen habe der Sport- und Gesundheitstrainer nicht mehr schlichten wollen, "um selbst nicht auch noch einen Schlag abzubekommen". Für Richter Urs Wäckerlin stand das Urteil wegen der "offenen Situation" fest. "Es gibt kein klares Bild", sagte er in seiner Begründung. Es sei nur eindeutig, dass es nicht zu unvermittelten Schlägen gekommen sei und sich zunächst ein Streit entwickelt habe. Er sprach den Angeklagten nach Jugendstrafrecht von der vorsätzlichen Körperverletzung frei.

Trotzdem ist er in einem zweiten Anklagepunkt schuldig: In seinem Auto war er am 2. Dezember mit zwei Freunden nach dem Fitnesstraining in München unterwegs. Im Wagen wurden bei einer Kontrolle 0,62 Gramm Marihuana sichergestellt. Wegen "unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln" war der Azubi schon einmal vor Gericht gestanden, jetzt zu einer Geldstrafe von 300 Euro verurteilt. Der Verteidiger hatte zwar darauf plädiert, wegen der geringen Menge "die Kirche im Dorf zu lassen", doch dem Ansinnen konnte Wäckerlin nicht stattgeben.

© SZ vom 19.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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