Aufführung:Appelle aus der Zeitmaschine

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Am Anfang war das Feuer: Künstlerisch simulieren die Geretsrieder Schüler eine Zeitreise zum Urknall. (Foto: Hartmut Pöstges)

33 Schüler der Geretsrieder Franz-Marc-Schule bringen Tanz, Musik und Sozialkritik auf die Bühne

Die Watsons haben keine Lust mehr. "Wir kündigen", eröffnen sie ihrem Chef in sonorem Gleichklang. Alexander Graham Bell haut es fast vom Stuhl. Doch das Assistenten-Duo des Erfinders lässt sich nicht umstimmen: "Wir wollen Abenteuer erleben", erklären die beiden - und hüpfen zusammen mit dem Zeitreisenden Filby auf einen beleuchteten und manuellen Kickroller, der das Trio in das Ägypten vor 4500 Jahren befördert. Kein Wunder, dass das Forscher-Doppel seinem Chef den Laufpass gibt: Zuvor waren die beiden in ihren blauen Kitteln dank der Kickroller-Zeitmaschine Zeugen der betanzten Erdenstehung vor vier Milliarden Jahren geworden und hatten dem Gemurmel einer geselligen Gruppe Steinzeitmenschen beigewohnt, die es sich in bester Steinzeitmanier um Feuerchen herum gemütlich gemacht hatten.

Es ist eine bunte, anarchische Version einer Zeitmaschinenreise, die 33 Schüler der Geretsrieder Franz-Marc-Schule am Donnerstagabend aufführen - inklusive Rap, Breakdance, Flickflack. Beginnen tut die 45-minütige, durchaus sozialkritische Reise bei einem Wissenschaftstreffen im Jahr 1879. Filby, die Watsons, Edison und Bell sitzen am Tisch und prahlen mit ihren jeweiligen Erfindungen. Glühbirne, Telefon, doch Filby kann noch einen draufsetzen: "Ich habe eine Zeitmaschine gebaut", erklärt der (weibliche) Bastler - wovon seine eitlen Zeitgenossen natürlich nichts hören wollen. Wohl aber die ewigen Assistenten. Mit einem beherzten Sprung auf die kickrollende Zeitmaschine geraten Filby und die Watsons zunächst zur Erdentstehung und dann in die Steinzeit.

"Hatschuba, hatschuba" - die Sprache der Wissenschaft dürften die drei verstehen, doch was die wilden Leute quatschen, die um das Feuer herumsitzen? Ist ja auch egal, die Universalsprache ist der Tanz, und so grooven sich Tüftler, Steinzeitler und Leoparden im Gleichklang zum "Gute-Laune-Schubidu-Schabada" über die Bühne - man könnte auch sagen: die Welt ist im Gleichgewicht.

Und heute? Steht man Kopf, ganz wortwörtlich: Im Geretsried der Gegenwart legt einer der Schüler zu "Freestyler" einen Kopfstand hin. Eine gute Gelegenheit für die Schüler, auch sich selber den Spiegel vorzuhalten. "Wo sind wir denn jetzt gelandet", wundern sich die drei. Um sie herum marschieren vier schwarz-anonyme Gestalten, stets mit gestähltem Blick auf ihre Smartphones - da dürfen sich auch einige der rund 100 Zuschauer ertappt fühlen. Wohin führt die künstliche Intelligenz? Darauf haben die Schüler eine dystopische Antwort. Europa im Jahr 3279. "Hallooo? Ist da jemand?" Da ist wer, aber es sind keine Menschen, sondern Roboter, die die Welt übernommen haben und jetzt stakkato-mäßig in ihren weißen Masken über die Bühne tanzen. "Gruselig", entfährt es einem Zuschauer. Auf die philosophische Frage, was man tun könne, haben die Geretsrieder Schüler eine Antwort, sie kulminiert in einem flammenden Appell: "Wir müssen alle zusammenhalten und lernen, tolerant zu sein! Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass diese Welt eine Gute sein wird. Weg mit dem Neid und Hass! Wir haben nur eine Welt und sie soll noch lange voller Glück und Frieden existieren und dafür sind wir verantwortlich! Lassen Sie uns gleich damit beginnen."

© SZ vom 06.07.2019 / vfs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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