Auf Erholungssuche:Dick im Minus und voll im Trubel

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Der Lockdown im Frühjahr hat in den touristisch geprägten Kommunen des Landkreises zu Einnahmeausfällen geführt. Viele Tagesausflügler kamen trotzdem. Der Landkreis steuert mit Kampagnen gegen

Von Claudia Koestler, Bad Tölz-Wolfratshausen

Wie man's macht, macht man's bekanntlich verkehrt: Fühlen sich viele Ausflügler und Touristen ins schöne Oberland gelockt und erholen sich zwischen Isar und Loisach, Brauneck und Walchensee, staut sich nicht nur der Verkehr, sondern auch der Frust bei den Einheimischen an: Zu viele seien es, die Parkflächen überlaufen, die Seitenstraßen und Naturflächen zugeparkt, so geht es nicht weiter. Doch kommen deutlich weniger Erholungssuchende, schrillen die Alarmglocken an anderer Stelle: Gastwirte und Pensionsbesitzer, Hoteliers und Liftbetreiber, überhaupt alle, die ihr Geld mit Gästen verdienen, klagen über den Besucherrückgang und verweisen darauf, dass der Landkreis auch vom Fremdenverkehr lebt. Die Suche nach der richtigen Balance bestimmt die Region schon lange, 2021 war keine Ausnahme. Auch wenn die äußeren Umstände erneut kaum Spielraum ließen und die eigenen Handlungsmöglichkeiten gering blieben.

Äußere Umstände, das ist natürlich die Pandemie. So war zu Jahresanfang die Lage speziell für die kleinen, teils privaten Skilift-Betreiber bitter: Fehlte ihnen in vergangenen Jahren der Schnee, bremsten sie nun die Corona-Restriktionen aus, Skilifte mussten geschlossen bleiben. Die Menschen strömten indes trotzdem in die Berge. Während die Erholungssuchenden zu Tausenden die Hänge am Brauneck zu Fuß oder mit Tourenski erklommen, mussten die Liftbetreiber zusehen.

Bad Tölz machte sich derweil auf die Suche nach sich selbst: mit welchen Bildern künftig die Stadt assoziiert werden soll, muss ein neuer Markenkern ergeben. Mit ihm will die Stadt zum einen Zielgruppen wie Touristen, Unternehmer, Investoren, Fachkräfte und junge Leute ansprechen, zum anderen soll sich die eigene Bevölkerung damit identifizieren können. Ende Februar hatte der Stadtrat den Prozess mehrheitlich angestoßen, auf dessen Ergebnis noch gewartet wird.

Wie gravierend die Auswirkungen der Pandemie auf den Tourismus im Isarwinkel waren, zeigten die Zahlen von 2020, die Kurdirektorin Brita Hohenreiter im April darauf den Tölzer Stadträten vorlegen konnte: Bei den Gästeankünften gab es ein dickes Minus von 42,43 Prozent gegenüber dem Jahr 2019, bei den Übernachtungen waren es 30,88 Prozent weniger. Damit stand die Kurstadt im bayernweiten Vergleich gar nicht so schlecht da, wo manche Ferienregionen einen Schwund der Ankünfte von bis zu 55,7 Prozent hatten, bei den Übernachtungen bis zu 40,6 Prozent. Dennoch fielen klare Worte zur Situation: "Das ist eine Katastrophe", bilanzierte die Kurdirektorin. Die Corona-Pandemie habe sich auch an der Herkunft der Touristen abgezeichnet, Gäste aus dem Ausland fehlten. Für die stellvertretende Kurdirektorin Susanne Frey-Allgaier war es "das fürchterlichste Veranstaltungsjahr, das ich je erlebt habe": Kein Ostermarkt, kein Christkindlmarkt, keine Leonhardifahrt, kein Knabenchor-Festival, keine Rosentage, kein Herbstzauber, kein Kabarett: Bad Tölz hatte im Vorjahr coronabedingt viele Traditionstermine absagen müssen. Doch 2021 sollte nur teilweise besser werden. Der Tagestourismus hatte in der Corona-Pandemie stark zugenommen und für erheblichen Ärger zwischen Anwohnern und Gästen geführt, zum Beispiel in Kochel am See und am Walchensee. Mit der Kampagne "Charmant miteinand" versuchte der Tölzer Land Tourismus gegenzusteuern und vor allem auf die Bedeutung des Fremdenverkehrs für die Wirtschaft im Landkreis hinzuweisen. Im Frühjahr startete eine zweite Kampagne, die eher den achtsamen Umgang mit der Umwelt in den Fokus rückte. Der Titel: "Naturschutz beginnt mit Dir".

Der Lockdown im Frühjahr hatte in den touristisch geprägten Kommunen erhebliche Lücken bei den Einnahmen aus Fremdenverkehrs- und Kurbeiträgen gerissen. Um diese Mindereinnahmen für die betroffenen Kommunen zu reduzieren, hatte die Staatsregierung zusätzliche Mittel in Höhe von zehn Millionen Euro bereit gestellt. Im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen erhielten hiervon fünf Kommunen eine Fördersumme von insgesamt rund 114 000 Euro. Der Löwenanteil davon floß mit 91 229 Euro nach Bad Tölz. Kochel am See erhielt 8443 Euro, Benediktbeuern 8353 Euro, Bad Heilbrunn 4818 Euro und Schlehdorf 1388 Euro.

Eine satte Förderung kam dem Landkreis ebenfalls zugute: Im Juni erhielt Bad Tölz-Wolfratshausen eine von fünf neuen Gebietsbetreuerstellen im Alpenraum, die der Freistaat mit insgesamt einer Million Euro unterstützt. Im Unterschied zu den Rangern, die für die praktische Umsetzung zuständig sind, kümmern sich die Gebietsbetreuer um das Monitoring und die Informationserstellung. Und sie sollen die Besucherlenkung in den Bayerischen Alpen als Modellprojekt voranbringen, damit später andere Kommunen davon profitieren können. Ausweichparkplätze, höhere Parkgebühren, mehr Kontrollen, schärfere Strafen, mehr Ranger sind bis zu diesem Zeitpunkt Mittel, um Spitzen beim Besucherandrang abfedern zu können. Auch die Überarbeitung des Nahverkehrsplans zielt in diese Richtung, ebenso die Kampagne "Naturschutz beginnt mit dir".

Neue Wege wollten einige Kommunen auch mit der sogenannten Königs-Card gehen, die im Juli beim Tölzer-Land-Tourismus eingeführt wurde. Die an den neuem Angebot beteiligten Betriebe gewähren Vergünstigungen oder kostenfreien Besuch. Weiterhin bleibt die elektronische Gästekarte bestehen, mit der sich das Basisangebot in sieben Kommunen des Tölzer Landes nutzen lässt - samt kostenfreier Nutzung der Linienbusse des RVO.

Im August weihte die Stadt Bad Tölz den neu gestalteten Entdeckerpfad am Blomberg ein. Der Blomberg liegt zwar auf Wackersberger Flur, gilt jedoch als eines der touristischen Wahrzeichen von Bad Tölz. Um das beliebte Ausflugziel touristisch zu beleben, hatte die Kurstadt als größter Grundstückseigentümer am Berg vor vier Jahren einen Masterplan aufgestellt. Der reicht von einheitlichen Schildern und Maskottchen für Kinder über bespielte Wanderwege bis hin zu einer Art Open-Air-Kino mit Aussicht aufs Oberland. Mit dem Entdeckerpfad wurde die erste Stufe realisiert, der unter anderem einen Wald-Erlebnisparcours, eine Waldliege und einen Kletterwald für Kinder umfasst. Die zweite Stufe soll dann die Holzplattform am Gipfel als Klassenzimmer sein, die dritte ein kleiner Gipfelrundwanderweg für all jene, die oben eher spazieren gehen als kilometerweit wandern möchten.

Im Herbst zeichnete sich schließlich ab, dass der zweite Corona-Sommer zumindest wirtschaftlich besser verlaufen ist als der erste: Nach Angaben des Landesamts für Statistik sind im Juni in Bad Tölz-Wolfratshausen rund 20 Prozent mehr Übernachtungsgäste angekommen als im gleichen Monat im Jahr davor - allerdings knapp ein Drittel weniger als im Jahr 2019, also vor Corona. Viel deutlicher zeigten sich die Pandemie-Einbußen in der Halbjahresbilanz: Von Januar bis Juni besuchten den Landkreis dieses Jahr nur etwa 57 000 Übernachtungsgäste - gegenüber 183 000 im Jahr 2019.

Der Lockdown im Frühjahr hat Spuren hinterlassen. Doch auch, wenn es an Pfingsten noch etwas zäh losging, gab es in den Sommermonaten in den Beherbergungsbetrieben kaum noch Lücken. Wer gar kurzfristig noch etwas finden wollte, stand vor großen Problemen.

Dazu kam ein in Teilen begrenztes Angebot: Manche Häuser durften wegen der Hygieneauflagen nicht voll ausgelastet werden. Einen besonderen "Run" gab es im Sommer auf Ferienwohnungen. Doch nicht nur Zimmer und Ferienwohnungen waren sehr gefragt, sondern auch Freizeitangebote. Weil unter anderem bei geführten Wanderungen wegen Corona weniger Personen teilnehmen durften, bauten viele Anbieter ihr Angebotsspektrum aus.

Mit dem Beginn der Skisaison zeigte der Landkreis schließlich wieder das ganze Potenzial seiner Verlockungen: Bei blauem Himmel, Sonnenschein und dem ersten Pulverschnee wollten so viele auf die Pisten am Brauneck, dass sich lange Schlangen bildeten und die Parkplätze nach kurzer Zeit wegen Überfüllung geschlossen werden mussten. Und das trotz 2-G-Kontrollen.

© SZ vom 30.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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