Armenische Gäste in Geretsried:Einfach nur Musik machen

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Zum weiten Mal bei der "Stiftung Zukunft Mensch": Geiger Karen Shahgaldyan und Pianistin Armine Grigoryan aus Armenien. (Foto: Hartmut Pöstges)

Das Duo Khatchaturyan konzertiert im Ratsstubensaal absolut virtuos und unbekümmert

Von Reinhard Szyszka, Geretsried

Das Trio ist zum Duo geschrumpft. Geiger Karen Shahgaldyan und Pianistin Armine Grigoryan aus Armenien waren vor zwei Jahren gemeinsam mit einem Cellisten als Trio Khatchaturyan an gleicher Stelle aufgetreten. Diesmal erscheinen sie ohne Cello. Doch was soll's, auch für Violine und Klavier gibt es ein riesiges Repertoire an wunderschöner Musik. Leider ist der Ratsstubensaal, wo die Konzerte der "Stiftung Zukunft Mensch" stattfinden, am Donnerstag urlaubszeitbedingt nur zur Hälfte gefüllt. Hannelore Bretz, die für die Organisation zuständig ist, tritt zu Beginn auf die Bühne, stellt die Musiker vor und spricht ein paar Worte zur Musik. Dann geht es los.

Ein romantisches Werk, etwas von Prokofjew und eine Komposition aus Armenien hat sich Bretz gewünscht. Und natürlich tun ihr die Künstler den Gefallen. Das romantische Werk ist die d-Moll-Sonate von Robert Schumann, ein wild bewegtes, leidenschaftliches Stück Musik. Und vom ersten Ton an wird klar, wohin die Reise geht. Shahgaldyan und Grigoryan gehen die Sonate mit erfrischender Unbekümmertheit an. Von keines Gedankens Blässe angekränkelt ob der neuesten Schumann-Forschung und ob der persönlichsten, so noch nie dagewesenen Interpretation spielen die beiden Musiker einfach das, was in den Noten steht. Einfach nur Musik machen. Dabei ist das alles andere als einfach, doch die Pianistin und der Geiger können es.

Und wie sie es können! Grigoryan meistert den vollgriffigen, schwierigen Klavierpart mit virtuoser Mühelosigkeit und Sicherheit; Shahgaldyan hält mit warmem, leuchtendem, in der Höhe aufstrahlendem Geigenton dagegen. Die Musiker bringen die Leidenschaft, die Schumanns Musik innewohnt, zum Klingen. Das Zusammenspiel zwischen den Instrumenten ist traumwandlerisch sicher, auch bei den Tempowechseln, Verzögerungen und Beschleunigungen. Manchmal fürchtet man, die kräftigen Akkorde, die aus dem voll geöffneten Flügel dringen, würden die zarten Geigentöne zudecken, doch der Violinist lässt sich nicht unterkriegen.

Nach der Pause kündigt Bretz ein Überraschungsstück an: zwei Sätze des auf Malta lebenden russischen Komponisten Alexei Shor. Beide Werke erweisen sich als überaus schlichte, kurze, ganz und gar tonale Nummern, das erste eine Romanze à la Fritz Kreislers "Liebesleid", das zweite ein kleiner Bolero in Moll. Wenn es dieses "Überraschungsstück" nicht gegeben hätte: man hätte es nicht vermisst.

Nun folgen die "Fünf Melodien für Violine und Klavier" von Sergei Prokofjew. Das Werk ist 1925 entstanden, in der Fassung für Klavier und Singstimme sogar schon 1920. Dennoch verwendet Prokofjew hier eine weitaus avanciertere, mehr zukunftsweisende Musiksprache als der heute lebende Alexei Shor. Shahgaldyan und Grigoryan meistern auch diese Musik mit Leichtigkeit. Über weite Strecken ist das Werk von einer neoklassizistischen Kühle geprägt, was gelegentliche Ausbrüche der Leidenschaft aber nicht ausschließt.

Das Konzert geht zu Ende mit der Violine-Klavier-Sonate des armenischen Komponisten Arno Babadjanyan, eines Schostakowitsch-Schülers. Auch diese Sonate ist ein für beide Instrumente äußerst anspruchsvolles Werk, doch die beiden Künstler bewältigen nicht nur alle technischen Schwierigkeiten, sondern schaffen es darüber hinaus, die Musik zu gestalten. Meisterlich, wie sie im ersten Satz den komponierten Zusammenbruch unter krachenden Klavierakkorden und das langsame, zögerliche Wiedererwachen darstellen. Der rasend schnelle Mittelteil des zweiten Satzes stellt die Musiker ebenso wenig vor Probleme wie das vollgriffige, mit unangenehmen Sprüngen gespickte Finale.

Babadjanyan war ein Komponist der Sowjet-Ära, doch keineswegs angepasst oder langweilig, sondern voll versteckter subversiver Elemente in seiner Musik. Man versteht, warum dieser Meister der Lieblingskomponist von Organisatorin Hannelore Bretz ist.

Hochverdienter Applaus am Ende. Die Künstler bedanken sich mit einem weiteren Werk aus ihrer armenischen Heimat: einer Nocturne von Edvard Baghdasaryan, ruhig und melodisch, gerade das Richtige zum Ausklang.

© SZ vom 05.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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