Apfelernte:Die Essenz des Sommers

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In Königsdorf läuft an diesem Samstag wieder die Obstpresse an. Nach zwei mageren Jahren stehen die Kunden heuer schon Schlange. Das liegt nicht nur daran, dass die Ernte diesmal besonders gut ausfällt

Von Stephanie Schwaderer, Königsdorf

Es sind die orangefarbenen Äpfel, denen Katharina Demmel nicht widerstehen kann. Ein Cox Orange, zum Beispiel, oder eine besondere Reinette. Da nimmt sie sich gerne mal ein Exemplar vom Förderband und beißt neugierig hinein. "Natürlich nicht ohne vorher zu fragen", sagt sie. "Das sind ja nicht meine Äpfel." Wie viele Sorten über die Jahre durch ihre Hände gegangen sind, vermag die Bäuerin und Vorsitzende des Königsdorfer Obst- und Gartenbauvereins nicht zu sagen. Nicht einmal grob zu schätzen. Außer Frage steht jedoch, dass sie in nächster Zeit wieder reichlich Gelegenheit zum Kosten und Entdecken haben wird: Die Apfelernte fällt in diesem Jahr mehr als üppig aus. Und jeder Königsdorfer, der seiner Früchte im Garten mit Kuchen, Mus und Apfelstrudel nicht mehr Herr wird, wählt irgendwann Demmels Nummer.

Seit 18 Jahren ist sie so etwas wie die Saftbeauftragte der Gemeinde. Jeden Sommer nimmt sie Dutzende Anfragen entgegen, vergibt Termine, organisiert, behält den Überblick und verwaltet einen Non-Profit-Betrieb, der Berge bunter Äpfel und Birnen in ordentlich aufgeschichtete Reihen grüner Kartons verwandelt. Darin: Flüssig konservierter Sommer, mal süß, mal säuerlich.

Ihr Mann war es, der im Jahr 2000 im Auftrag des Vereins eine moderne Obstpresse erworben und über die Jahre nach und nach perfektioniert hat. Mit ihren Förderbändern und blitzblanken Stahlkesseln, den Schläuchen, Filtern und Hähnen wirkt die Maschine ein bisschen wie ein Ufo vom Planeten Zukunft, das gerade Station im Bilderbuch gemacht hat. Der Hof "Beim Lenz", in den Katharina Demmel vor 50 Jahren eingeheiratet hat, ist uralt, die Technik hinterm Stall hingegen auf dem neuesten Stand.

Enkel Peter Demmel überwacht den Fluss der Äpfel. (Foto: Manfred_Neubauer)

Die Maschine schluckt zentnerweise Frühäpfel

Das hat nicht nur hygienische Vorteile. "Bei uns bekommt jeder garantiert den Saft aus seinen eigenen Äpfeln, auch wenn es nur 15 Liter sind", sagt die Hausherrin. Auch deshalb steht seit Tagen bei ihr das Telefon kaum still. An diesem Samstag um 11 Uhr ist es wieder so weit. Dann tritt die gigantische Saftmaschine ihren Dienst an, schluckt zentnerweise Frühäpfel, die Jakob Fischer oder Sommerkönig heißen und eindeutig frühreif sind.

"Wir hatten eine traumhafte Blüte", sagt Demmel, "und die Bienen waren fleißig." Nach zwei äußerst mageren Obstjahren, mit verhagelter Blüte und wochenlangem Regen sei dieser Sommer ein "großes Glück".

Die Kunden, die ihre Ausbeute auf das Förderband kugeln lassen und kurze Zeit später handlich verpackt in ihren Kofferraum oder auf den Anhänger stapeln, kommen überwiegend aus der Gemeinde. Manche reisen aber auch bis aus Icking an. Gerade jüngere Familien achteten immer mehr darauf, was ihnen auf den Teller und ins Glas komme, sagt Demmel. "Und es gibt ja nichts Besseres als den Saft aus dem eigenen Garten."

Sie weiß, wovon sie spricht. Gleich hinter dem Stadel erstreckt sich ein alter Obstgarten mit 50 Bäumen, der Pomologen in Verzückung versetzen dürfte. Der sogenannte Geheimrat von Oldenburg hängt so dicht im Blattwerk, dass die Zweige sich gefährlich neigen - tatsächlich klagen Gartenbesitzer in diesem Jahr vor allem über Schäden, die dadurch entstanden sind, dass Äste unter dem Gewicht ihrer Früchte abgebrochen sind. Glockenapfel und Golden Delicious prangen neben Rotem Boskoop, Brettachern und Topaz. Bevor die Ernte im Trockenen ist, will Demmel allerdings keine Prognose abgeben. Ein Unwetter reiche aus, um alles zu zerstören, sagt sie. Ihre Erfahrung als Obstbäuerin: "Die Natur hat ihr eigenes Leben."

Der Biesterfelder braucht noch etwas Ruhe, bevor er schmeckt. Und für den Maunzen ist die Zeit noch lange nicht gekommen. "Den finde ich nicht so gut", gesteht Demmel. "Ich bin eine, die vom Baum weg probiert." Manche Äpfel müssten jedoch drei, vier Wochen lagern, bevor sie ihren Geschmack entfalteten.

Ihr Herz schlägt für alte Sorten wie den London Pepping ("Der wird nicht groß - aber der Geschmack!") oder den Maria Schanzger, den einzigen Apfel, den sie über Meter weit schon am Geruch erkennt, wenn er über das Fließband läuft. "Der ist auch als Bratapfel wunderbar." In Deutschland sei diese Sorte nicht mehr zu kaufen. Deshalb hat einer ihrer beiden Söhne nun in der Steiermark einen Setzling besorgt. Zehn Jahre wird es mindestens dauern, bis daraus ein Hochstamm gewachsen ist. Die Baumpflege übernimmt seit einigen Jahren ein Enkel, der sich in die Materie eingearbeitet hat. Der wichtigste Grundsatz dabei: "Nicht schnippeln, schneiden!"

Am Eingang des Obstgartens reckt sich ein mächtiger Birnbaum in den Himmel. "Der war schon so groß, als ich auf den Hof gekommen bin", sagt Demmel. Tausende kleiner gelber Früchte baumeln an den Zweigen. Kletzenbirnen. Mit ihnen hat sie eigene Pläne. Sie kommen in ein Gerät, das Demmel aus dem Keller schleppt und das seit vielen Generationen in der Familie im Einsatz ist. In fünf Schubladen mit Drahtgitterböden werden die Früchte über dem Holzfeuer gedörrt. "Fürs Birnbrot", sagt Demmel. Auch alte Techniken haben in ihrem Haus einen Platz.

© SZ vom 11.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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