Amtsgericht Wolfratshausen:Filmriss nach Schlägerei

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Zwei Männer sollen unter Alkoholeinfluss auf einen Freund eingeschlagen haben und müssen sich vor Gericht verantworten. Blöd nur, dass sich ausgerechnet das Opfer kaum an die Tat erinnert.

Thekla Kraußeneck

Wenn sich der Kläger zwar an die Anklage, aber nicht mehr an die Tat erinnert, kann es für Richter und Staatsanwaltschaft recht konfus werden. Am Mittwoch hatte das Amtsgericht Wolfratshausen den Fall zweier Freunde zu verhandeln, denen gefährliche Körperverletzung vorgeworfen wurde. Das Opfer, ein Freund der beiden, aber war zum Tatzeitpunkt offenbar so stark alkoholisiert, dass von seiner anfänglichen Schilderung des Vergehens am Verhandlungstag nicht mehr viel übrig blieb. Das Gericht sprach einen der Angeklagten frei, der zweite wurde auch wegen einer anderen Tag zu vier Wochen Dauerarrest verurteilt.

Weil er an jenem Abend betrunken war, konnte sich das Opfer nur vage an die Umstände der Schlägerei erinnern. (Foto: dpa)

Der Angeklagte Kai A. (Namen geändert) kaufte am 25. Mai 2011 drei Kästen Bier, die er mit dem Mitangeklagten Björn B. und dem Kläger Johan N. an der Isarbrücke zu leeren begann. Angeheitert brachte das Trio die Bierkästen in die Wohnung von Johan N. und begab sich danach zur Südschule, wo es zum Streit kam. Der zu dem Zeitpunkt noch 18-jährige Kai A. soll daraufhin auf Johan N. eingeschlagen haben, der 25-jährige Björn B. habe ihn dabei unterstützt. Johan N. zog sich dabei ein blaues Auge zu.

So jedenfalls lautete sein Bericht des Tathergangs, als er die Tat zwei Tage später bei der Polizei anzeigte. Am Verhandlungstag widersprachen die Angeklagten der Schilderung des 31-Jährigen.

Keiner von beiden habe auf Johan N. eingeschlagen, auch habe sich das Trio nicht zur Süd-, sondern zur Jahnschule begeben. Dort habe Johan N. einen Anruf aufs Handy bekommen und dieses unversehens zu Boden geworfen. Als sich Björn B. nach dem Gerät bückte, um es für ihn aufzuheben, schubste Johan N. seinen Freund, sodass er stürzte. Eine Schlägerei habe es nicht gegeben. Von dem betreffenden Anruf wusste Johan N. vor Gericht nichts mehr.

Da sich das Opfer vor Gericht zwar "an den Schlag, aber nicht an die Umstände" erinnern konnte, wurde Björn B. vom Verdacht der gefährlichen Körperverletzung freigesprochen. Wegen Kai A. wurde jedoch noch in einem anderen Fall verhandelt. Im August hatte er in der Notaufnahme der Tölzer Asklepios-Klinik zwei Pfleger beleidigt und angegriffen, die ihn aufhalten wollten, nachdem er sich eine Infusionsnadel aus dem Arm gerissen und stark zu bluten begonnen hatte. Kai A. erhielt Hausverbot. Als am selben Abend sein Vater mit Atemnot in die Klinik eingeliefert wurde, durfte er nicht zu ihm und zerbrach aus Wut darüber einen Desinfektionsspender.

Kai A. war bereits häufig auffällig geworden, stets unter Alkoholeinfluss. Die Jugendgerichtshelferin Marianne Stöger schilderte, er sei kürzlich von Obdachlosigkeit bedroht gewesen, habe seine Ausbildung verloren und das Tagwerk in Anspruch genommen, ohne sich um Besserung zu bemühen.

Im Hinblick auf die sich früh abzeichnende kriminelle Karriere und da sich der Kläger Johan N. daran erinnerte, am Abend der Tat mindestens einmal von Kai A. geschlagen worden zu sein, nutzte das Gericht die Gelegenheit, den 19-Jährigen für vier Wochen unter Dauerarrest zu stellen - in der Hoffnung, die Gefängniserfahrung werde ihn von der schiefen Bahn abbringen.

© SZ vom 28.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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