Ammerland:Die vergessene Glocke

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Neue Verwirrungen um die verschwundene Glocke aus der Ammerlander Schlosskapelle. Jetzt ist ein wertvolles Geläut aufgetaucht. Doch die gesuchte Glocke bleibt verschwunden.

Wolfgang Schäl

Die Verwirrungen um die verschwundene Glocke der Ammerlander Schlosskapelle sind um eine weitere Nuance reicher: Nunmehr ist ein wertvolles Geläut aufgetaucht, das im Zusammenhang mit dem Pocci-Schloss steht, aber es ist nicht das seit Jahren gesuchte: Es gehört nicht zur Kapelle, sondern zum Schloss selbst.

Die nun aufgetauchte Glocke ist rund 100 Jahre älter als das vermisste Objekt. (Foto: Manfred Neubauer)

Dies lässt sich anhand der eingravierten Datierung belegen: Die Glocke ist rund 100 Jahre älter als das vermisste Objekt, stammt aus dem Jahr 1577 und existierte somit schon vor der Schlosskapelle, die erst 1683 bis 1685 erbaut wurde.

Auf den neuen Sachverhalt hat Pfarrer Martin Kirchbichler von der Münsinger Pfarrei Maria Himmelfahrt hingewiesen. Er vermutet, dass es wohl auch im Schloss selbst eine Hauskapelle gegeben hat. Zugeschrieben werde die nun aufgetauchte Glocke dem Kemptener Glockengießer Frey, einem der bedeutendsten im südbayerischen Raum.

Den Sachverhalt bestätigt Ursula Scriba vom Ostufer-Schutzverband ebenso wie der Eigentümer des Ammerlander Schlosses selbst, Werner Döttinger. "Die Glocke ist jetzt bei mir", sagte Döttinger der SZ. Besonders erwähnenswert ist: Döttinger, der im Schloss wohnt, ist bereit, die Glocke der katholischen Kirche zur Verfügung zu stellen, der die Schlosskapelle gehört. "Ich mache das gern", sagte er. In diesem Sinne habe er sich brieflich an die Pfarrei gewandt und ihr die Glocke angeboten. Eine Antwort habe er freilich nicht bekommen.

Pfarrer Kirchbichler stehe dem Angebot offenbar zurückhaltend gegenüber. Dass sich die Glocke für die Schlosskapelle bestens eignen würde, zweifelt Döttinger jedenfalls nicht an: Das Geläut sei relativ klein und würde nach seiner Einschätzung problemlos in die Kapelle passen.

Von der Existenz der Glocke weiß Döttinger schon seit zwei oder drei Jahren. Dass sie erst jetzt wieder ans Tageslicht gekommen ist, hat mit der Vergangenheit des Schlosses zu tun, das Anfang der 80er Jahre mehrmals den Besitzer gewechselt hat, nachdem sich die Käufer übernommen hatten.

Zwischenzeitlich stand das historische Gebäude immer wieder leer und war somit auch für Unbefugte zugänglich. In dieser Zeit hat es Scriba zufolge wiederholt Fälle von Vandalismus gegeben, einiges an Inventar sei in dieser Zeit des "Interregnums" wohl auch gestohlen worden.

Verantwortungsvolle Bürger hätten damals vorsorglich wertvolle Kunstgegenstände aus dem Schloss entfernt und an sich genommen, um so weitere Diebstähle zu verhindern. Dies erwähnt auch Döttinger lobend: Nachbarn hätten die Glocke gerettet, bei ihnen sei sie in den vergangenen Jahren in bester Obhut gewesen.

Gerüchte über die vermisste Glocke

Vor einigen Wochen habe er sie zurückbekommen, nachdem die um das Ammerlander Schloss besorgten Nachbarn über die Presse von der Glockendebatte erfahren hätten. Mit dem Thema hat sich auch das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege eingehend befasst und ein Gutachten erarbeitet.

Weiterhin vermisst bleibt indessen die Glocke der Schlosskapelle. Über ihren Verbleib gibt es nur Gerüchte. So wird vermutet, dass Konrad Graf von Pocci das Geläut im Zweiten Weltkrieg versteckt hat, um es vor dem Einschmelzen zu bewahren. Die jetzigen Schlossherren können dazu keine Auskunft geben, bekannt ist nur, dass es zur Zeit des Nationalsozialismus die Anweisung gegeben hat, Glocken zu Kriegszwecken einzuschmelzen. Dabei wurden sie in Kategorien von A bis D eingeteilt, wobei zur letzteren alle Glocken zählten, die vor dem Jahr 1800 entstanden. Sie wurden verschont.

Mutmaßungen besagen, dass es dem Grafen Pocci gelungen sei, die jüngere, unauffindbare Schlosskapellenglocke zu retten. Nur einer behauptete bislang zu wissen, wo das Objekt sich befindet: Michael Köhle, der Vorsitzende der Pocci-Gesellschaft. Er hüllte sich bisher in Schweigen, hält es nun aber nicht mehr für ausgeschlossen, dass es sich bei der jetzigen Glocke um die gesuchte handelt. Eine Spur führte ins Haus des verstorbenen 2. Bürgermeisters von Münsing, Ernst Kink. Dem Vernehmen nach hat er die Glocke sichergestellt. In seinem Haus tauchte sie indes nicht auf.

© SZ vom 19.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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