Alteingesessenes Geschäft:Das letzte Ticken

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Nach über 50 Jahren im Dienst gibt Matthäus Beutelrock seinen Tölzer Uhrenladen auf.

Von Katharina Kuhn, Bad Tölz

Wenn zuletzt langjährige Kunden ins Geschäft gekommen sind, hatten sie eigentlich nur diese eine Frage: "Wo sollen wir denn jetzt hin?" Und auch Matthäus Beutelrock weiß, dass das Ticken der Uhren ihm fehlen wird, wenn er jetzt in seinen wohlverdienten Ruhestand geht. Aber 54 Arbeitsjahre, das sei nun wahrlich genug, findet Beutelrock. Er hat sich deshalb dazu entschlossen, seinen Laden am Jungmayrplatz in Bad Tölz aufzugeben.

In dem Laden haben bestimmt 100 Jahre lang die Uhrzeiger unermüdlich ihre Runden gedreht. Schon lange bevor Beutelrock 1965 dort seine Lehre begonnen hat, wurden in dem Geschäft nämlich Uhren und Schmuck verkauft. Beutelrock erinnert sich nicht mehr genau, wie der Laden damals ausgesehen hat. Vor seinem geistigen Auge hat er aber noch die Brillen, die dort ausgestellt waren. Denn damals war in dem Laden neben dem Uhrengeschäft auch noch ein Optiker untergebracht.

Als Beutelrock vor inzwischen über fünf Jahrzehnten am Jungmayrplatz seine Lehre begann, war seine Faszination für das Handwerk des Uhrmachers bereits geweckt. Schon als Kind habe er angefangen, alte Kuckucksuhren und Wecker zu zerlegen. Die Uhren danach wieder zusammen zu bauen, schien ihm als Kind weniger interessant. Beutelrock betont aber, dass er sich vor dem Zerlegen stets von den Eltern die Erlaubnis für sein zerstörerisches Werk eingeholt habe. Die Leidenschaft fürs Basteln und die feine Technik wurde jedenfalls schon früh in ihm entfacht und hat ihn seitdem auch nicht mehr losgelassen.

Im Jahr 1978 hat er den Laden dann selbst übernommen. Das habe er "Herrn Simon zu verdanken", wie Beutelsrock sagt, seinem Ausbildungsmeister. Der habe ihn nicht nur einen zuvorkommenden Umgang mit den Kunden gelehrt, sondern ihm vor allem auch viel technisches Wissen vermittelt. "Ohne Herrn Simon", sagt Beutelrock, "wäre ich kein gescheiter Uhrmacher geworden."

Als er noch als Gehilfe in dem Geschäft gearbeitet hat, habe er auch die Turmuhren in Bad Tölz betreut. Eine aufregende Tätigkeit sei das gewesen, erinnert sich Beutelrock - und eine anachronistische zugleich. Heute muss man nämlich nicht mehr in den Turm hochsteigen, um die Uhren umzustellen. Das wird mittlerweile alles über Funk gesteuert.

Trotz der schönen Erinnerungen würde der bodenständige Tüftler die Zeit nicht zurückdrehen wollen. Denn obwohl sich heute weniger Menschen für den Beruf des Uhrmachers entscheiden, die alten Meister des Handwerks bleiben sich doch treu. Einmal im Jahr trifft sich Beutelrock mit seinen Mitschülern aus der Meisterklasse, um an einem feuchtfröhlichen Abend die alten Geschichten wieder lebendig werden zu lassen.

Das Geschäft habe sich über die Jahre stark verändert, sagt Beutelrock - vor allem durch das Aufkommen des Internets. In der ganzen Entwicklungsphase von der Sonnenuhr bis zur heutigen Smartwatch sei aber sowieso immer ein großer Wandel dagewesen, so Beutelrock. Er habe sich aber immer an das Motto gehalten, nie auszulernen, sich immer weiter zu bilden. Dieser Grundsatz habe ihm sehr geholfen. Und dann sei da schließlich auch noch seine Familie gewesen, die ihn immer unterstützt habe, besonders als er sich vor 30 Jahren selbständig gemacht hat.

Bei der Geschäftsaufgabe hat ihm nun auch seine Tochter beim Ausverkauf geholfen. Sie erinnert sich noch mit Freude an die früheren Zeiten, als ihr Vater mit ihr immer wieder unterwegs war, um besondere Uhrwerke und Schmuckstücke zu reparieren. Gerne hätte Beutelrock auch das Geschäft an seine Tochter übergeben. Wissbegierig und technisch begeistert sei sie durchaus gewesen. Wegen der vielen Theorie in der Berufsschule, habe er ihr seinerzeit aber davon abgeraten, sagt Beutelrock. Heute ergriffen leider immer weniger Jugendliche den Beruf des herkömmlichen Uhrmachers.

Mit einem weinenden und einem lachenden Auge wird Beutelrock den Laden aufgeben und die Entscheidung, was damit in Zukunft passiert, dem Vermieter überlassen. Im Gegensatz zu seinen Kunden, die sich nun woanders die Batterie oder das Armband wechseln lassen müssen, weiß Matthäus Beutelrock auch ganz genau, wo er hingehen wird: Zu seiner Familie, in den Ruhestand.

© SZ vom 24.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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