Aktuelle Ausstellung:"Wie das Salz ins Meer"

Lesezeit: 2 min

Der Königsdorfer Künstler Günter Fürst erklärt, wie bei aller von ihm beabsichtigten Sachlichkeit dennoch Seele in seine Bilder kommt.

Von Felicitas Amler

"Was mir in die Finger kommt": Günter Fürst reißt Papier und schafft damit Schicht um Schicht Bilder-Räume. Sein "radikalstes" Werk in der aktuellen Ausstellung sei dies hier rechts hinter ihm. Titel tragen sie alle nicht. (Foto: Hartmut Pöstges)

Einige der bekanntesten Werke von Henri Matisse sind "papiers decoupés". Diese Papierschnitte gehen als Posters ("Icarus", "Nu bleu") vieltausendfach um die Welt. "Dessiner avec des ciseaux": Das Zeichnen mit der Schere hat das Spätwerk des großen Künstlers der Klassischen Moderne bestimmt. Ein wichtiges Vorbild für Günter Fürst, den ehemaligen Kunsterzieher am Gymnasium Icking und heutigen freien Künstler aus Königsdorf. Er stellt gerade an einem eher ungewöhnlichen Ort 30 Arbeiten aus, die er im vergangenen halben Jahr geschaffen hat. Allesamt "papiers decoupés", besser gesagt: dechirés, denn Fürst schneidet nicht, er reißt Papier jeder Art, egal, ob es Schreibpapier ist oder Einwickelpapier der Hofpfisterei: "Was mir gerade in die Finger kommt."

Mit Matisse verbindet Fürst schon auf den ersten Blick etwas: die Form der Brille, die er trägt. Doch abgesehen von dieser oberflächlichen Wahrnehmung spürt der Besucher der Ausstellung im zahntechnischen Labor Isar Dental im Gespräch mit dem Künstler immer wieder dessen innere Verbundenheit mit der Klassischen Moderne. Erst einmal aber weist Fürst ungefragt einen Vergleich seiner Arbeiten mit Collagen zurück. Er wolle keinesfalls wie die Kubisten - er nennt Picasso, Braque und Gris - etwa mit Worten und der Typografie von Zeitungsausschnitten Räume erstellen. Er schaffe in einem Bild einen Raum durch Staffelung und Schichtung. Dabei sei es ihm wichtig, dass Farben gleichwertig nebeneinanderstehen und auf diese Weise "sichere Flächen" erzeugen. Nebenbei wähle er grundsätzlich das Hochformat, und auch hier weiß er, warum: Er stamme aus Franken, und dort herrsche die Gotik vor: "Dieses strenge Hochformat, das ist Gotik."

Fürst denkt offenkundig intensiv nach über seine künstlerische Arbeit. Und - ganz Lehrer - vermittelt er sie gern und nachdrücklich. "Das ist ein wichtiger Satz", sagt er mehrmals im Gespräch. So, wenn er sich explizit auf Matisse beruft und dessen Aussage vom Zeichnen mit der Schere. Ein anderer kategorischer Imperativ lautet: "So sachlich, wie's nur geht!" Und wenn man dies ordentlich mitgeschrieben hat, ist Platz für den Nachsatz: "Die Seele kommt sowieso rein." Und wie kommt sie hinein? Der Künstler antwortet fachgerecht mit einem Bild: "Wie das Salz ins Meer."

Emotional und zufällig - so entstünden seine "geklebten Bilder". Diesen Titel der Ausstellung korrigiert Fürst im Nachhinein, denn eigentlich müsse es "geklebte Malerei" heißen. So oder so: Er wisse zu Beginn der Arbeit nicht, wie sie am Ende aussehen soll oder wird. "Das wäre ja furchtbar!", sagt er. Es empfinde das eigene Tun vielmehr so: "Das Kleben ist schon ein gestalterischer Akt", das anschließende Überkleben ebenso. Weit weist Fürst, der zusammen mit seiner Frau seit Jahrzehnten einen Zweitwohnsitz auf Mallorca hat, es zurück, dass er dort womöglich anders arbeite als hier. "Ich male nicht das, was von außen kommt", sagt er, auf Licht, Luft und mediterrane Leichtigkeit angesprochen. Erst im weiteren Gesprächsverlauf kommt doch ein Unterschied zutage. Auf der Baleareninsel arbeite er auch als Bildhauer, und zwar mit Holz. Aber nicht dass man auf die Idee käme, er nehme angeschwemmtes Treibholz aus dem Meer. Keine Romantisierungen! Er verwendet Recyclingholz. Eben: "So sachlich, wie's nur geht."

Günter Fürst: Geklebte Bilder, Ausstellung bei Isar Dental, Breslauer Weg 77, Geretsried; bis 24. November, täglich 9 bis 17 Uhr.

© SZ vom 27.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: