Aktion:Runter vom Gas

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In Dietramszell kontrollieren Polizei und Grundschüler die Autos - nur eines ist zu schnell

Von Benjamin Engel, Dietramszell

Mit seinem Lasermessgerät steht Streifenpolizist Ivo Neubert an der Tölzer Straße direkt auf Höhe des Parkplatzes der Dietramszeller Grund- und Mittelschule. Fixiert er damit die entgegenkommenden Autofahrer, sieht er auf einen Blick, wie schnell jeder unterwegs ist. Durch die Vergrößerung kann er sogar erkennen, ob der Fahrer angeschnallt ist. Gegen 9.30 Uhr nähert sich ein Auto mit Tempo 52, nur bis zu 50 Stundenkilometer sind erlaubt. Neubert gibt Polizeiobermeisterin Stephanie Soldner ein Zeichen. Die schwingt daraufhin ihre Kelle und lotst den Lenker auf den Parkplatz.

Ganz aufgeregt warten dort schon die 20 Schüler von acht bis zehn Jahren der Klasse 3 b aus der Dietramszeller Grundschule. Sie unterstützen die Geretsrieder Polizei - die Inspektion ist für Dietramszell zuständig - am Mittwochvormittag bei der Geschwindigkeitskontrolle. Die Aktion nennt sich "Süßes oder Saures": Wie zuvor schon in Wolfratshausen und Bad Tölz verteilen die Kinder zur Belohnung eine Tafel Schokolade an Autofahrer, die vorschriftsgemäß unterwegs sind. Wer zu schnell ist, bekommt einen sauren Kaugummi. Doch die Autofahrer sind nahezu vorbildlich: Nur dieser eine von an die 30 Kontrollierten ist etwas zu schnell - und das auch nur um zwei Stundenkilometer.

Polizeiobermeisterin Stephanie Soldner hat mit den Schülern geübt, wie sie die angehaltenen Autofahrer am besten ansprechen. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Soldner und ihre Kollegen haben die Schüler auf die Aktion eigens vorbereitet, genau mit ihnen besprochen, was zu tun ist. In einem Rollenspiel haben die Schüler sogar geübt, wie sie die Autofahrer ansprechen sollen. Ein Teil der Aktion besteht darin, die Verkehrsteilnehmer zu befragen, zu loben und zu kritisieren. Dafür haben die Schüler mit ihrer Klassenlehrerin Annemarie Sigel Papierzettel mit den wichtigsten Sätzen erarbeitet. Zu lesen ist darauf etwa "Danke, dass Sie Rücksicht auf uns Kinder nehmen."

Immer zu dritt sprechen die Schüler mit einem Autofahrer. Der neunjährige Dominik wirkt aufgekratzt. "Ich habe mich so auf diesen Tag gefreut", sagt er. So gut gefällt es ihm, der Polizei helfen zu dürfen. Von den Autofahrern wünscht er sich, dass sich vorsichtig sein sollen.

Und darauf zielt auch die Aktion der Polizei. Wie der Tölzer Verkehrssachbearbeiter Lars Werner erklärt, sollen die Autofahrer und Kinder für das Thema Geschwindigkeit sensibilisiert werden. Dass die Schüler die Autolenker direkt ansprächen, habe zudem einen gewissen "Überraschungseffekt", was womöglich einige noch mehr dazu bringe, über ihr Fahrverhalten in punkto Geschwindigkeit nachzudenken. Dass in Dietramszell praktisch niemand zu schnell unterwegs war, überrascht Werner. Denn bei der Kontrolle im Juli an der Tölzer Jahnschule seien einige zu schnell unterwegs gewesen - etwa einer von fünf Autofahrern, hieß es da bei der Polizei.

Klassenlehrerin Sigel ist vom Sinn der Aktion überzeugt. Denn die schärfe das Sicherheitsbewusstsein der Kinder. Die Schüler könnten das auch direkt an Erwachsene weitergeben und beispielsweise Eltern oder Großeltern direkt darauf ansprechen, falls die zu schnell führen. Und das möchte auch die achtjährige Lotte. "Dass nichts passiert", wie sie sagt. Sie erzählt, dass sie immer zu Fuß in die Schule gehe. Da habe sie häufig das Gefühl, das Autos zu schnell führen.

Die angehaltenen Autofahrer reagieren am Mittwoch verständnisvoll. Eine solche Aktion sei richtig, findet der 82-jährige Hans Holler. Denn gerade auf Kinder müsse man im Straßenverkehr besonders viel Rücksicht nehmen - und daran halte er sich auch. Positiv reagiert auch ein weiterer Verkehrsteilnehmer. "Ich glaube, die Autofahrer müssen einfach mehr sensibilisiert werden", sagt der Mann in Dietramszell. Gerade im Bereich von Schulen sei es besonders wichtig, sich an die vorgeschriebene Geschwindigkeit zu halten. Er sei selbst in Dietramszell in die Schule gegangen. Für ihn sei es ganz normal, dort vorsichtig zu fahren.

© SZ vom 06.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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