Wochen gegen Rassismus:Hetztiraden am Mikrofon

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Experten halten die Texte von Gangsta-Rappern für gefährlich

Von Wolfgang Görl

Eigentlich ist Ben Salomo, geboren in Israel und aufgewachsen in Berlin, ein Rapper vor dem Herrn, aber mittlerweile findet er verdammt bittere Worte über die Hip-Hop-Szene in Deutschland: "Der deutsche Gangsta-Rap ist ein Brandbeschleuniger." Was die Musik und vor allem die Texte befeuern, seien unter anderem Antisemitismus und Rassismus. Das sei umso schlimmer, als der Rap Millionen von Zuhörern erreiche, besonders junge Leute, die das, was sie da hörten, nicht einordnen könnten. Als Beispiel nennt er Verschwörungstheorien, die in Rap-Videos verbreitet werden.

Am Donnerstagabend debattiert Ben Salomo mit dem Linguisten Axel Bohmann von der Universität Freiburg und dem Kölner Lehrer und Ex-Rapper Hannes Loh im NS-Dokumentationszentrum, das zur Podiumsdiskussion zum Thema "Wie rassistisch ist der Gangsta-Rap?" geladen hat. In seiner Einführung erinnert SZ-Feuilletonredakteur Jens-Christian Rabe, der die Debatte moderiert, an den Eklat bei der Verleihung des Echo an die Rapper Kollegah und Farid Bang, denen vorgeworfen wird, antisemitische Klischees in Umlauf zu bringen. Mit der Frage, die sich da aufdrängt, leitet Rabe die Diskussion ein: "Sind die anderen Rapper auch so drauf?"

Dass Antisemitismus, Rassismus sowie Frauenfeindlichkeit und Hass gegen Schwule im deutschen Gangsta-Rap verbreitet sind, bestreitet keiner der drei Experten. Letztlich halten sie auch das in diesem Kontext oft vorgebrachte, entlastende Argument, die aggressiven Sprüche seien gar nicht so gemeint, sondern nur Teil eines Rollenspiels, für nicht stichhaltig. Genau dieses Argument, erzählt Lehrer Loh, tragen seine Schüler auch immer vor, und er lässt es im Gespräch mit ihnen erst einmal gelten. Anschließend sagt er ihnen, wie er die Sache sieht. Dass das Spiel mit antisemitischen Klischees und dergleichen eben nicht funktioniert, schon gar nicht bei Rappern wie Farid Bang und Kollegah, deren Provokationen und Tabubrüche vor allem dem eigenen kommerziellen Erfolg dienten. "Damit komme ich in eine Diskussion mit den Jugendlichen. Im Grunde bietet die Schule hervorragende Voraussetzungen für den Diskurs."

Ben Salomo hat auf Youtube die erfolgreiche Battle-Rap-Reihe "Rap am Mittwoch" betrieben - bis er angesichts des wachsenden Antisemitismus' in der Szene genug hatte und ausstieg. Battle-Rap, das möglichst originelle Duell im Sprechgesang, war für Salomo ehedem so etwas wie Sport, wie ein Boxkampf. Man beschimpft und beleidigt sich kunstvoll und liegt sich am Ende versöhnlich in den Armen. Aber von diesem Ideal sei nicht viel übrig geblieben, vor allem jenseits der Bühne sah sich er, der Jude, zunehmend antisemitischen Hetz- und Hasstiraden ausgesetzt. Und leider müsse er sagen, dass 90 Prozent "der Anfeindungen, die mir widerfahren, aus der Migrantengesellschaft kommen". Doch auch Bio-Deutsche aus der Rapszene hätten da angedockt, zur Rechtfertigung gern mit dem Hinweis auf den Nahost-Konflikt.

Um dagegenzuhalten, empfiehlt Salomo unter anderem, die Songs und Konzerte derartiger Künstler nur Menschen über 18 Jahren zugänglich zu machen - ein Vorschlag, den sowohl Bohmann als auch Loh für nicht praktikabel halten. Letztlich, fügt Loh hinzu, sei es eine gesellschaftliche Aufgabe, das Entstehen von Milieus zu verhindern, in denen Antisemitismus und religiöser Fundamentalismus herrschten.

© SZ vom 16.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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