Werkstattgespräch:Sorge um Europa

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Die Redakteure Thomas Kirchner (li.), Stefan Ulrich und Andrea Bachstein diskutierten mit Miriam Heigl (zweite von links) beim SZ-Werkstattgespräch in der Stadtbibliothek über Europa. (Foto: Stephan Rumpf)

Leser diskutieren mit SZ-Redakteuren im Gasteig über die EU

Von Juri Auel

Es war die Neugier und vielleicht auch ein bisschen die Furcht vor dem Ungewissen, die Christian Schwaiger und mehr als 140 andere Zuhörer am Montagabend in die Stadtbibliothek im Gasteig geführt hat. "Mir geht es um Europa", sagte der 67-Jährige, der zum SZ-Werkstattgespräch gekommen war, um mit Redakteuren der SZ über die Frage "Wie geht's, Europa?" zu diskutieren. Von den drei Journalisten auf der Bühne, die in der Vergangenheit als Korrespondenten aus Rom, Paris und Brüssel berichtet haben, wollte Schwaiger wissen, welche Gefahr bei den anstehenden Europawahlen von den "mehr als europakritischen" Gruppen denn nun tatsächlich ausgehe. Thomas Kirchner, der für die SZ mehrere Jahre in Brüssel war, versuchte zu beruhigen. Er wolle das Problem nicht kleinreden, sagte Kirchner, jedoch hätten die Europakritiker in der Vergangenheit gezeigt, wie gut sie darin seien, sich nicht einig zu sein. "Ein großer rechter Trupp, das ist auf keinen Fall zu erwarten", sagte Kirchner.

Ein anderer zentraler Punkt des Abends war die Frage, welche Gestalt Europa und die Europäische Union in Zukunft wohl haben werden. Ein SZ-Leser etwa wollte wissen, wie die Redakteure zur Idee eines "Europas der Vaterländer" stehen, also einer Zurückdrängung der EU zugunsten nationaler Identitäten und Interessen. "Das hatten wir schon: vor dem Ersten Weltkrieg, vor dem Zweiten Weltkrieg", sagte Stefan Ulrich, Chef des SZ-Meinungsressorts und ehemaliger Rom- und Paris-Korrespondent. Die Europäische Union sei ja gerade die Reaktion auf das Scheitern des Europas der Vaterländer, in dem es keinen Frieden gegeben habe.

Eine andere Version für die Zukunft der EU ist die des Europas der verschiedenen Geschwindigkeiten. Andrea Bachstein, die ebenfalls einige Jahre für die SZ aus Rom berichtet hat, sprach sich auf dem Podium aber gegen dieses Modell der Union aus, bei dem einige Länder die Zusammenarbeit schneller vertiefen sollen als andere. Sie halte es für heikel, eine derartige Entwicklung festzuschreiben, sagte Bachstein. In Italien gebe es beispielsweise bereits unterschiedliche Geschwindigkeiten innerhalb eines einzelnen Landes. Dem Norden des Landes gehe es deutlich besser als dem Süden. Breite Zustimmung gab es am Ende der eineinhalbstündigen Diskussion, die Miriam Heigl von der Fachstelle Demokratie der Stadt München leitete, für die Forderung aus dem Publikum, man solle doch bitte häufiger derartige Foren bieten und zur Diskussion mit Lesern und Politikern einladen.

© SZ vom 10.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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