Weltfrauentag:Allianzen der Solidarität

Lesezeit: 3 min

Organisationsteam der Podiumsdebatte "Wofür würde Sophie Scholl heute kämpfen?" (v. li.): Sapir von Abel, Nabila Abdel Aziz und Julia Ley. (Foto: Sebastian Gabriel)

Erstmals findet ein "jüdisch-muslimisch-feministisches Festival" in München statt

Von Julia Fletz

Dieser Vergleich ist ziemlich gewagt, Amina Benkhayi zieht ihn aber trotzdem. Sophie Scholl war 21 Jahre alt, als sie 1943 für ihren Widerstand gegen das NS-Regime ihr Leben lassen musste. Heute steht ihr Name stellvertretend für den der Weißen Rose. "Heute würde Sophie wieder hinschauen und sich für den Klimaschutz einsetzen", ist die Fridays-for-Future-Aktivistin überzeugt. Die 23-Jährige eröffnete am Donnerstag eine Podiumsdiskussion mit dem Titel "Wofür würde Sophie Scholl heute kämpfen?". Die Veranstaltung bildete den Auftakt des jüdisch-muslimisch-feministischen Festivals, das nun zum ersten Mal anlässlich des Weltfrauentags an diesem Sonntag stattfindet.

Einige Tage zuvor treffen sich Nabila Abdel Aziz, Sapir von Abel und Julia Ley vom Organisationsteam in einem Café. Vor ihnen stehen aufgeklappte Laptops. Julia Ley moderiert zusammen mit Amina Benkhayi die Diskussion und löchert Sapir von Abel mit ihren Fragen zum Judentum. Benkhayi und sie wollen von ihren Gästen bei der Debatte wissen, wie Feminismus, Klimaschutz und die Weltreligionen zusammenhängen. Ley will sich ausführlich vorbereiten und schreibt eifrig mit. Sapir von Abel sitzt ihr gegenüber, neben ihr ein Buch zur jüdischen Ethiklehre. Sie ist Lehrerin und Jüdin, und sie wohnt mit Nabila Abdel Aziz, die als freie Journalistin arbeitet, in einer WG zusammen.

"Oft kommt die Frage, ob es Konflikte gibt", erzählt Nabila Abdel Aziz. Die beiden schütteln entschieden die Köpfe - dem sei überhaupt nicht so. "Ich glaube, wir müssen heute Allianzen der Solidarität schaffen", sagt Sapir von Abel. "Allerdings nicht im Sinne von alle lieben Hummus - obwohl wir das natürlich tun -, sondern weil wir vor ähnlichen Herausforderungen stehen", wirft ihre Mitbewohnerin ein. Für Solidarität und eine offene Gesellschaft einstehen, das soll das jüdisch-muslimisch-feministische Festival erreichen. "Es geht nun mal ein Rechtsruck durchs Land", sagt Julia Ley. Der Hass der Rechten richte sich auf verschiedene Minderheiten, gegen Muslime sei er aber im Moment am salonfähigsten und lautesten. Oft treffe er Frauen oder auch Politiker und Journalisten, die sich für mehr Offenheit oder Klimaschutz engagieren. "Dann kommen schnell Antisemitismus, Rassismus und Sexismus zusammen", sagt Nabila Abdel Aziz.

Warum sind oft gerade junge Frauen so engagiert und bekommen entsprechend viel Hass ab, bis hin zu Gewaltdrohungen im Internet? Diese Frage stellt Julia Ley wenige Tage später in der Dachkammer der Kammerspiele bei der Podiumsdiskussion ihren Gästen. "Sind Frauen die besseren Menschen? Lieben sie die Natur mehr als Männer?"

Asmaa el Maaroufi meint, Antworten auf diese Frage gefunden zu haben. Zum einen würden Mädchen anders erzogen, ihnen werde eine andere Naturverbundenheit suggeriert als Jungen, sagt die Mitarbeiterin des Zentrums für Islamische Theologie in Münster. Außerdem würden Mädchen eher im Bereich Fürsorge und für Gerechtigkeit sozialisiert werden. Auch seien - global gesehen - besonders Frauen stärker durch den Klimawandel betroffen, "laut UN-Berichten 14 Mal mehr". Studien zufolge seien beispielsweise beim Tsunami 2004 viermal so viele Frauen wie Männer gestorben. Das habe unterschiedliche Gründe, Frauen seien unter anderem häufiger zu Hause gewesen, da sie sich um Kinder, Verwandte und den Haushalt kümmern mussten. Dass nun so viele junge Frauen beispielsweise bei "Fridays for Future" auf den Straßen sichtbar seien, gebe ihr ein "Gefühl von Empowerment", von Bestärkung, sagt el Maaroufi.

Gemeinsam die Gesellschaft gestalten, das verbindet die drei jungen Frauen Nabila Abdel Aziz, Julia Ley und Sapir von Abel. Auch das mache das jüdisch-muslimisch feministische Festival aus, erklärt Julia Ley: "Aus der Nische heraus ins Zentrum kommen und einmal nicht die Mehrheitsgesellschaft im Mittelpunkt stehen zu haben."

An diesem Samstag geht es von 14 Uhr an im Münchner Forum für Islam weiter mit einer Kunstperformance zum Thema "Stoffe und Identitäten - Gewebte Geschichten". Abends folgt um 19 Uhr im Bellevue di Monaco eine Diskussion zu Feminismen in den Weltreligionen. Am Sonntag bildet schließlich um elf Uhr im Münchner Forum für Islam eine Leseperformance zur Frage "Wer sind die Sophie Scholls unserer Zeit?" den Abschluss des Festivals.

© SZ vom 07.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: