Weihnachtsmärkte:Glitzernde Glühwein-Gärten

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Besinnlichkeit als Massenveranstaltung: Auf den 18 Weihnachtsmärkten drängeln sich Tausende Münchner.

Philipp Crone

Das wichtigste Wort ist "Salok", sagt Norbert Lange, oder auch "cauzione per la tazza" und "deposit". Der 53-jährige Mann steht hinter zwei fassgroßen Metallkesseln und zapft heißen Glühwein. Drei Frauen an seiner Seite im hell erleuchteten Holzstand nehmen die dampfenden Tassen entgegen und verteilen sie an die in Mützen und dicke Winterjacken eingepackten Kunden, die sich vor dem Stand Nummer 88 auf dem Marienplatz drängeln.

Treffpunkt im Freien: Der Weihnachtsmarkt im Kaiserhof der Residenz. (Foto: Foto: ales)

Beim Preis von 5,50 Euro würden die Touristen schon mal stutzen, sagt Lange, der hier seit 30 Jahren arbeitet. "Deshalb muss man ihnen das Wort für Pfand in verschiedenen Sprachen sagen können." Das sind 2,50 Euro für jede Tasse.

Permanent werden Geldscheine über die Theke seines Stands gereicht, das Geschäft boomt. Dabei ist es auf den ersten Blick erstaunlich, dass man sich bei Eiseskälte ins Gedrängel stellt, bis die Füße einfrieren. Auf den zweiten Blick und mehrfache Nachfrage ist es dagegen sehr einleuchtend.

An diesem Vorweihnachts-Wochenende ist in der Innenstadt die Fortbewegung fast unmöglich, dicht an dicht stehen die Einkäufer mit Bratwurstsemmel oder Schokocrêpe in der Hand, eine ChriMarktbude grenzt an die andere, ein Drehorgelspieler übertönt den anderen. München hat 18 Weihnachtsmärkte und in diesem Jahr ist im Kaiserhof der Residenz wieder einer dazugekommen.

Auf dem Marienplatz steht Ingo im dichten Gewühl mit einer Tasse Glühwein in der Hand und weißen Kopfhörern unter der Mütze. Er trinkt und hört Musik. "Hier kann ich wunderbar entspannen." Der 35-Jährige hat eingekauft und an der vollsten Stelle Halt gemacht, vor dem Stand von Norbert Lange. "Wenn an einem Stand nichts los ist, bleibe ich auch nicht stehen", sagt Ingo. Lange kennt das: "Die Leute wollen eng zusammensein, da ist es nicht so kalt und man lernt sich kennen." Die Stimmung sei wie im Biergarten.

Da kann auch jeder tragen, was er will, selbst Stirnbänder sind erlaubt. Kinderwagen parken neben Aktentaschen von Geschäftsleuten, die elegante ältere Dame steht neben einem coolen Teenager ohne Schal und Mütze. Ein kurzer Blick auf die Auslage der Töpfer oder den Christbaumschmuck, dann trifft man sich am Glühweinstand. Statt wie im Sommer "vorm Steckerlfisch am Chinaturm" verabredet man sich jetzt "vorm Glühweinstand am Hugendubel" oder "hinten links beim Schwabinger". Getrunken wird zu jeder Jahreszeit.

Und was dem Biergarten sein Hendl ist dem Weihnachtsmarkt die Bratwurstsemmel und andere Feinheiten. Ein Ehepaar genießt auf dem Wittelsbacherplatz in mittelalterlicher Kulisse je einen Flammkuchen. "Wir haben beide fünf Wochen Diät gemacht, aber heute mussten wir einfach sündigen", sagt die Frau. Kein Wunder, an jeder Ecke weht ein anderer Duft. Der Mann sagt zufrieden: "So ein Markt versetzt einen in die Vergangenheit, als alles noch langsamer und ruhiger war."

Schon bei der Fortbewegung wird man zur Gemächlichkeit gezwungen. Für Hektik ist es einfach zu voll. Und erst recht, als es dunkel wird. Vor Langes Stand auf dem Marienplatz ist da kaum mehr ein Durchkommen. Die Menschen schieben sich mühsam aneinander vorbei und versuchen, sich nicht aus den Augen zu verlieren. Viele der Pfandtassen entfernen sich dabei als Touristensouvenir auf Nimmerwiedersehen von Langes Stand. Aber der lächelt nur: "Damit mache ich ja auch ein kleines Geschäft."

© SZ vom 15.12.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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