Weihnachts-Macher:Aus der Luft geschöpft

Lesezeit: 2 min

Frank Liebmann sagt, dass hat in seiner Jugend jeder im Ort mit angepackt hat. (Foto: Stephan Rumpf)

Glasbläser Frank Liebmann fertigt Christbaumkugeln auf Wunsch

Von Andrea Schlaier

Zu Stoßzeiten, sagt Frank Liebmann, hat in seiner Jugend jeder im Ort mit angepackt. Stoßzeiten, das waren die heißen Phasen der Weihnachtsproduktion, und Anpacken hieß Lippen leicht spitzen und sachte unter Drehen ins Glas pusten. So saßen sie in jedem dritten Haus beieinander, in Lauscha, mitten im Thüringer Schiefergebirge, und bliesen Christbaumkugeln. In dem Ort also, der für sich in Anspruch nimmt, diese Kunstwerke Mitte des 19. Jahrhunderts erfunden zu haben und in dem 1597 die erste Glashütte entstand. "Glasbläserei hat dort 400 Jahre lang alle ernährt", sagt Liebmann ). Für den 49-Jährigen gilt das heute noch. Er führt seine Kunst im Wechsel mit einem Kollegen täglich im Deutschen Museum vor.

Von Objekten des Weihnachtsdekors hat er sich längst emanzipiert. Er stellt sie nur her, wenn jemand sie unbedingt haben will. Seit bald 20 Jahren dreht er zweimal am Tag, um 11.30 und um 14 Uhr, für Museumsbesucher seinen Bunsenbrenner auf, bis die Flamme fauchend gen Decke züngelt. In der Hitze dieser 1000 Grad heißen "Lampe" formt Liebmann () mit dem Mund und Werkzeug aus Grafitkohle ein gläsernes Rohr zu filigranen Schätzen, anmutigen Gefäßen, filigranen Schreibfedern.

Wenn dann die Flamme lodert, tut man sich schwer, hinter der Wand aus Zuschauern einen Blick auf den Meister zu erhaschen. "Sorry, would you mind", hebt eine Amerikanerin die Stimme und hätte noch einmal gern erklärt, wie sich denn aus diesem Rohstoff bestens funktionierende Schreibutensilien herstellen lassen. Liebmann erklärt, macht Ausflüge in die Geschichte des Handwerks, zweisprachig, und ist stolz, dass seine Lieblingsobjekte, die bunten Schreibfedern, großes Interesse finden. Bis nach Tokio verkaufe er die Modelle. Er produziert sie auch im kleinen Atelier in Untergiesing.

Nach den Vorführungen fangen die Besucher an, durch Liebmanns Auslagen zu stöbern. Vasen und Gläser von puristischer Strenge, changierende Ringe, verspielte Tierchen - und, was ist das? Eine Seniorin deutet irritiert auf ein höchst skurriles Sortiment. Liebmann lacht schallend: "Das sind Glasaugen, erklär' ich ihnen gleich, wie man die macht." Ab und zu komme sein Vater ins Haus und drehe den Bunsenbrenner für Besucher hoch. "Er hat sich auf die Herstellung von Menschenaugenprothesen aus Glas spezialisiert", erzählt der Sohn.

Auch diese hatten in Lauscha ebenso Tradition wie die mit Silbernitrat verspiegelten Christbaumkugeln, deren Fertigung übrigens harte "Akkordarbeit" war, wie sich Liebmann erinnert. "Die mussten teilweise am Tag zwischen 400 und 1000 Kugeln blasen. Glashart!"

Bis Heiligabend stellt die Stadtviertel-Redaktion täglich Menschen vor, die Weihnachtsstimmung verbreiten. Am Montag lesen Sie: Gärtnerin Carolin Bunzel.

© SZ vom 02.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: