Wechsel an der Spitze:Am Rande der Kapazitätsgrenzen

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Heiko Büttner tritt die Nachfolge von Bernhard Weisser an. (Foto: Matthias Döring)

Der neue S-Bahn-Chef Heiko Büttner will die Zuverlässigkeit seines Unternehmens stärken

Von Marco Völklein

Ob ihm solche Szenen fehlen werden? Als vor zwei Jahren die Linie A von Dachau nach Altomünster elektrifiziert und in das S-Bahn-Netz integriert wurde, da stellten die Verantwortlichen der Deutschen Bahn am Vorabend des Betriebsstarts fest, dass die Haltetafeln an den Bahnsteigen fehlten. Die Lokführer hätten also nicht gewusst, auf welcher Höhe sie halten müssen; die Fahrgäste wären den Zügen unter Umständen einige Meter hinterhergerannt. S-Bahn-Chef Bernhard Weisser fackelte nicht lange und leitete eine Lieferung Halteschilder, die fürs Allgäu bestimmt waren, ins Dachauer Land um. Und er fuhr selbst zum Baumarkt, um ein paar Schellen zur Befestigung zu kaufen.

Von kommendem Jahr an wird diese und viele weitere Aufgaben Heiko Büttner übernehmen. Vorgänger Weisser, 61, scheidet auf eigenen Wunsch aus. Büttner, 48, führt dann die Münchner S-Bahn mit ihren 1100 Mitarbeitern und ihrem Fuhrpark, der aus etwas mehr als 250 Triebzügen besteht. Er gehe "durchaus demütig an diesen Job heran", sagt Büttner. Die Münchner S-Bahn befinde sich "in einem schwierigen Umfeld" und stehe vor großen Herausforderungen. Insbesondere bei der Zuverlässigkeit des Betriebs will der neue Geschäftsführer ansetzen. "Pünktlichkeit ist wichtig", sagt Büttner, "keine Frage." Aber insbesondere dort, wo die S-Bahn einen Zehn-Minuten-Takt bietet, sei es auch entscheidend, dass die Fahrzeuge überhaupt fahren. Zuletzt hatten Fahrgastverbände kritisiert, dass die S-Bahn-Leitung bei Störungen im System immer wieder Fahrten ausfallen lässt - und zwar bevorzugt auf Linien, auf denen zu den Hauptverkehrszeiten die Züge im Zehn-Minuten-Abstand rollen sollten. Das will der neue Chef also ändern.

Handlungsbedarf sieht er auch beim Thema Lokführermangel: Nach wie vor ist die Personaldecke der S-Bahn knapp, die Bahngewerkschaften beklagen immer wieder das Fehlen von Lokführern, die hohe Arbeitsbelastung der Leute im Führerstand sowie die Berge an Überstunden, die sie aufgehäuft hätten. Vor kurzem erst hatte der scheidende S-Bahn-Chef Weisser eine Werbekampagne gestartet, um Seiteneinsteiger für den Lokführerberuf zu gewinnen. Bislang seien bereits 40 bis 45 Bewerbungen eingegangen; das sei "sensationell" gut, findet Weisser.

Außerdem muss Büttner mit dem Freistaat mehrere Verkehrsverträge für die S-Bahn aushandeln. Den Kontrakt bis zum Jahr 2020 hatte Bayerns Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) der Deutschen Bahn (DB) bereits zugesichert; für den daran anschließenden Vertrag mit einer Laufzeit bis 2032 sieht Herrmann die DB zumindest in der "Pole-Position". Fahrgastverbände sind der Ansicht: Damit läuft eh alles auf die DB hinaus; Konkurrenten werden im Bieterwettstreit um den Betrieb der S-Bahn ohnehin nicht antreten. Doch Büttner ist da vorsichtig: "Darauf will ich mich nicht verlassen." Vielmehr sei es wichtig, in den kommenden Jahren die Qualität des S-Bahn-Angebots zu steigern - und sich damit beim Freistaat zu empfehlen. "Unser Ziel muss es sein, jeden Tag Top-Qualität abzuliefern."

Noch allerdings schimpfen viele Kunden auf die S-Bahn. Auch wenn Weisser einen Pünktlichkeitswert von 96,4 Prozent vorlegt, der im laufenden Jahr bislang erreicht worden sei. Letztlich, sagt Weisser, operiere die S-Bahn am Rande ihrer Kapazitätsgrenzen.

© SZ vom 25.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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