Wasserwacht:Lautloses Unglück

Lesezeit: 1 min

Rudolf Brettner, technischer Leiter und stellvertretender Vorsitzender bei der Kreiswasserwacht München: "Viele Badegäste unterschätzen die Gefahr." (Foto: privat)

Rudolf Brettner ist für die Wasserwacht München im Einsatz. Wenn er ausrückt, ist es oft schon zu spät. Er nimmt die Eltern in die Pflicht: Sie müssen dafür sorgen, dass ihre Kinder Schwimmen lernen

interview Von Tanja Schwarzenbach, München

Deutschlandweit ertrinken jährlich 400 bis 450 Menschen. In der Stadt und im Landkreis München sind es zehn bis 15 Personen pro Jahr, Suizide miteingerechnet. Rudolf Brettner, 52, arbeitet bei der Berufsfeuerwehr und ist seit 30 Jahren ehrenamtlich für die Kreiswasserwacht München im Einsatz.

SZ: Herr Brettner, in Fernsehfilmen oder Serien ertrinken Menschen meist unter lauten Hilferufen. Ist das auch in Wirklichkeit so?

Rudolf Brettner: Nein, das vollkommene Gegenteil ist der Fall. Die meisten Menschen gehen lautlos und völlig unbemerkt von anderen im Wasser unter.

Warum?

Weil sie beispielsweise versuchen, nach Luft zu schnappen und nicht gleichzeitig um Hilfe rufen können. Ein Nichtschwimmer kann sich nur etwa 30 Sekunden über Wasser halten. Dann bleiben ihm noch drei Minuten unter Wasser, bis er tot ist. Familie oder Freunden fällt aber meist erst nach längerer Zeit auf, dass jemand verschwunden ist. Wenn der Notruf bei uns eingeht, ist es oft schon zu spät, und wir müssen eine Leiche aus dem Wasser bergen.

Sind die Ertrinkungsunfälle vor allem auf mangelnde Schwimmkenntnisse zurückzuführen?

Es ertrinken insbesondere junge Menschen zwischen 15 und 30 Jahren, oft auch mit einem Migrationshintergrund und keinen oder schlechten Schwimmkenntnissen. Aber auch ältere Menschen, weil sie schwimmen gehen und dabei einen Kreislaufkollaps oder ein Herzproblem bekommen. Bei Kindern unter zehn Jahren ist Ertrinken sogar die zweithäufigste Unfallursache.

Sind Kinder in einem Hallen- oder Freibad besser aufgehoben als an einem See?

Natürlich sind die Überlebenschancen dort größer, weil die Bademeister ein übersichtlicheres Einsatzgebiet haben. Das können wir an den Seen gar nicht leisten. Am Naherholungsgebiet Langwieder See etwa tummeln sich an heißen Tagen bis zu 50 000 Badegäste. An der Wasserrettungsstation sind aber meist nur fünf, manchmal auch mehr Retter im Einsatz. Die fahren dann Streife mit dem Boot, mit Rädern und sind über die Notrufsäulen erreichbar. In letzter Instanz sind aber die Menschen für sich selbst beziehungsweise die Eltern für ihre Kinder verantwortlich.

Was können Eltern besser machen?

Mehr auf ihre Kinder achten. Das größere Problem aber ist, dass Kinder oft noch nicht schwimmen können, wenn sie in die Grundschule kommen. Eltern haben heute häufig keine Zeit oder auch kein Interesse daran, den Kleinen das Schwimmen beizubringen. Dabei gibt es schon Schwimmkurse für die Kleinen ab vier Jahren.

© SZ vom 22.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: