Vorwürfe:Abgeworben ins Chaos

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In München kann man sich an keinen Grund für Tadel erinnern, in Innsbruck dagegen gibt es viele Vorwürfe gegen Wolfgang-Michael Franz. (Foto: MUI)

Der Münchner Wolfgang-Michael Franz wirkt als renommierter Oberarzt im Klinikum Großhadern, bis er einem Ruf nach Innsbruck folgt. Dort geht es rund: Das Krankenhaus wirft ihm Betrug vor, er sieht sich als Opfer der Politik

Von Cathrin Kahlweit

Als er seine Heimatstadt München und das Klinikum Großhadern im Jahr 2013 verließ, feierte sich die Medizinische Universitätsklinik Innsbruck dafür, dass sie den "bekannten "Fachmann auf dem Feld der modernen Kardiologie" als Chef der Uniklinik für Innere Medizin abwerben konnte. Wolfgang-Michael Franz, der in München studiert und nach zahlreichen Forschungsaufenthalten als Oberarzt am Klinikum Großhadern gearbeitet hatte, gab dafür eine Lebenszeitstelle auf - und zog nach Innsbruck. Er freute sich auch.

Davon ist nicht viel geblieben. Man wolle ihn loswerden, sagt er heute, seine Existenz vernichten. Franz, ein international renommierter Spezialist, ist so erregt, dass er keine Stimme mehr hat. Er hat sich einige der bekanntesten Anwälte Österreichs zur Hilfe genommen, die nun für ihn sprechen. Auch deshalb, sagt Franz, weil man ihn selbst schlicht nicht anhöre.

Die Vorwürfe seines derzeitigen Arbeitgebers jedenfalls sind heftig. Die Medizinische Universität Innsbruck (MUI) ist seine Arbeitgeberin, die Tirol Kliniken (TK) betreiben das Krankenhaus, an dem Franz die Kardiologie leitet. Jüngst legte eine Expertenkommission eine Untersuchung vor, um die Franz selbst gebeten hatte; er wollte, dass die Vorwürfe, die gegen ihn in Innsbrucker Medien und an der Klinik kursierten, endlich von unabhängigen Fachleuten aufgeklärt würden. Stattdessen, so sein Anwalt Gerald Ganzger, habe man vier Menschen mit einem "politischen Nahverhältnis" zu den Auftraggebern installiert, die, so Franz selbst, ihn "aufgrund von Vorverurteilungen kriminalisiert" hätten.

Deren Prüfung hatte ergeben, der Chefarzt habe bei Honorarabrechnungen von etwa 200 Patienten betrogen, bei denen er eine Privatbehandlung abrechnete, obwohl sie im Krankenhaus nicht als Privatpatienten verbucht gewesen seien. Seine Mitarbeiterführung sei mangelhaft, und, schlimmster Vorwurf für Mediziner, man ermittle wegen "fahrlässiger Tötungen". Bevor Franz Stellung nehmen konnte, wurde die Liste der Vorwürfe vier Stunden später auf einer Pressekonferenz präsentiert. Und der für Gesundheit zuständige Tiroler ÖVP-Landesrat forderte, "das Chaos rasch zu beseitigen", sonst werde er von Landes wegen einen zweiten Chefarzt einsetzen.

Bis heute gibt es keine Entscheidung über die Zukunft von Wolfgang-Michael Franz. Der Pressesprecher der Tirol-Kliniken verweist auf den Dienstgeber, die Universität. Nur so viel sei klar: Die Geschäftsführung der Tirol Kliniken habe "kein Vertrauen mehr" zu dem Deutschen. Der Sprecher der Medizinischen Universität hat die Mitarbeiter der Kardiologie informiert, man habe entschieden - und werde "zu gegebener Zeit mitteilen, wie". Die Berufung eines Primars, wie in Österreich die Chefärzte heißen, durch das Land sei verfassungsrechtlich nicht vorgesehen, sagt der angesehene Verfassungsrechtler Heinz Mayer. Das Land Tirol sieht das anders.

Der Betroffene erklärt, das alles habe einen langen Vorlauf, und eine politische Geschichte. Es gehe letztlich nicht um Abrechnungen und nicht um Führungsqualitäten, zumal einige Mitarbeiter gern bereit wären zu attestieren, dass er ein guter Chef sei. Es gehe, wie so oft, vielmehr darum, dass auf Kosten von Patienten Geld gespart werden sollte - und dagegen habe er sich gewehrt. Ursprünglich hatte er nämlich eine "neue Herzklinik" übernehmen sollen, habe aber gemerkt, dass dafür weder genug Personal und noch genug Ressourcen zur Verfügung stünden und das auch laut gesagt. Er habe angedroht, so Franz, die Mitwirkung an der Eröffnung der Klinik zu verweigern - weil ihm die Sicherheit der Patienten gefährdet zu sein schien. Schließlich habe er nachgegeben, aber da sei das Tischtuch zerschnitten, die Empörung der Verantwortlichen mit Händen zu greifen gewesen. Anonyme Beschuldigungen führten dann zur Einsetzung besagter Kommission, mit der Franz auch seine Forderungen nach einer besseren Ausstattung der Klinik geprüft sehen wollte.

Will sich hier einer zum Helden stilisieren? Soll ein Kritiker zum Schweigen gebracht werden? Oder geht es um eine gerechtfertigte Strafe für dienstliche Vergehen? Den Vorwurf der zu Unrecht erhobenen Honorare weist Franz zurück; die Abrechnungen seien klinikintern und nicht auf seine Weisung hin erfolgt. Die Todesfälle lägen an seiner Klinik seit seinem Dienstantritt im internationalen Durchschnitt und es sei ihm in keinem Fall ein Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht nachzuweisen. Was auch die ärztliche Leiterin des Krankenhauses laut einem Bericht der Tiroler Tageszeitung bestätigte.

Man habe aber anonyme Briefen nachgehen müssen.

Die Beschwerden der Franz unterstehenden Ärzte bezögen sich im wesentlichen auf den Stress und die Arbeitsbedingungen. Bei den Abrechnungen gebe es in "Einzelfällen" Unstimmigkeiten. Der emeritierte Leiter der Medizinischen Klinik in Großhadern, Gerhard Steinbeck, kann jedenfalls im Rückblick "keinen Anlass für Tadel" an seinem frühere Oberarzt finden.

Uni-Sprecher David Bullock richtet derweil aus, die Rektorin könne an diesem Montag kein Statement abgeben, am Dienstag aber schon. Diese hatte zuvor gesagt, dass Vertrauensverhältnis zu Franz sei "zerrüttet". Der fragt sich, wie "deutsche Ärzte noch einem Ruf nach Österreich folgen sollten, wenn sie dort unter Missachtung rechtsstaatlicher Prinzipien, ohne jede Waffengleichheit, ohne Möglichkeit der Gegendarstellung verurteilt" würden.

© SZ vom 22.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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