Viertel-Stunde:Vier Kämpfer für die Blinden

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Johann Wilhelm Klein, Johann August Zeune, Ludwig Braille und Oskar Picht haben Bahnbrechendes geleistet

Von Berthold Neff

Die vier Herren haben Großes geleistet, auch wenn die vier Straßen rund um die U-Bahn-Station Obersendling, die man nach ihnen benannt hat, eher klein sind - eine sogar nur ein Weg. Aber selbst wenn die Menschen noch lebten, für die dieses Quartett einst gekämpft hat, so könnte doch keiner von ihnen die Straßennamen lesen. Denn es waren die Blinden, für die Johann Wilhelm Klein, Johann August Zeune, Ludwig Braille und Oskar Picht Bahnbrechendes geleistet haben.

Klein, 1765 in Nördlingen geboren, und Zeune, der 13 Jahre später in Wittenberg zur Welt kam, lebten zur Zeit Napoleons und litten unter dessen Kriegen. In Kleins schwäbischer Heimat herrschte bittere Not, sodass sich Klein zum Auswandern entschloss. Auf der Donau fuhr er bis Wien, schlug sich als Hauslehrer durch und hatte als ehrenamtlicher Armenbezirksdirektor viel mit Blinden zu tun. Fast alle waren arm, weil es ihnen so gut wie unmöglich war, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Klein handelte, am 13. Mai 1804 quartierte er einen blinden Jugendlichen bei sich ein und begann, ihn zu unterrichten.

Ähnlich verfuhr Zeune in Berlin. Er hatte sich als Geograph und Germanist einen Namen gemacht, widmete sich aber engagiert den Blinden. Das Modell für die Berliner Schule fand er in Paris, wo 1784 die erste Blindenanstalt entstanden war. Zeune fand, dass eine solche Schule von einem Ehepaar geleitet werden sollte, heiratete schnell und nahm 1806 den ersten Schüler auf. Oskar Picht war von 1920 bis 1933 einer seiner Nachfolger als Direktor der Berliner Blindenanstalt.

Und während Klein in Wien eine Maschine baute, die Großbuchstaben ins Papier punktieren konnte, baute Zeune einen Tast-Globus und schrieb sein Handbuch der Blindenerziehung. Während der französischen Besatzung tat er sich als patriotischer Publizist hervor; gegen Fremdwörter hatte er schon früher gewettert und zum Beispiel Paris als "Schlammstadt" eingedeutscht. Einen französischen Namen haben auch die Münchner übersetzt. Auf dem Straßenschild taucht Louis Braille, der 1852 geborene Erfinder der Blindenschrift, als "Ludwig" auf.

© SZ vom 17.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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