Viertel-Stunde:Unterwegs mit offenen Augen

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Gerne unterwegs: Renate Gassenmeier. (Foto: Florian Peljak)

Wer mit der Stadtführerin Renate Gassenmeier durch Ramersdorf geht, sieht plötzlich Dinge, an denen man sonst achtlos vorbeigeschaut hätte

Von Renate Winkler-Schlang

Triester Straße in Ramersdorf, Renate Gassenmeier deutet nach oben. Über einem Hauseingang ein Gemälde. Ein Cowboy schwingt sein Lasso, umgeben von einer Herde von Longhornrindern. "Witzig", lacht Gassenmeier. Sie sieht solche Details, macht die Teilnehmer ihrer Stadtführungen aufmerksam auf Baustile, Türformen, Farbgebung, Giebel, Loggien. Kein Wunder: Diese Stadtführerin ist keine Historikerin, sondern Architektin mit einigen Semestern Kunstgeschichte. Als ihre Kinder klein waren, blieb sie daheim, fand aber schnell eine neue Aufgabe bei der Volkshochschule. München-Führungen hat sie drauf zu allen Epochen - "auch wenn Bauhaus-Beispiele rar sind". Mit ihrem Mann Hansjörg, ebenfalls Architekt, hat sie ein Buch über die Fassaden der Maxvorstadt veröffentlicht, das Viertel, in dem sie früher wohnte. Doch seit einiger Zeit führt sie auch in ihrem Heimatstadtteil Ramersdorf, wo die Familie nun lebt.

Außer der barocken Wallfahrtskirche, derzeit wegen Renovierung geschlossen, hat Ramersdorf keine klassischen Sehenswürdigkeiten - und doch: Zu entdecken gibt es so viel, wenn man mit dem geübten und liebevoll-wohlwollenden Blick der Architektin genau hinschaut, die ihren Teilnehmern ihre Begeisterung fürs Münchnerisch-Alltägliche, fürs Grün in den Siedlungen, für Kletterpflanzen und wehende Wäsche im Wind vermittelt.

Dank ihrer umfangreichen München-Bibliothek weiß sie aber auch Geschichte und Geschichten zu vermitteln. Wer ahnte schon, dass das Haus mit dem Lasso und seine Umgebung eine Ami-Siedlung waren - nach dem Krieg aus dem Boden gestampft für die Air-Force-Mitarbeiter, die die Luftbrücke nach Berlin geflogen sind. Autark war die Siedlung dank eigenem Heiz- und Elektrizitätswerk, die Wohnungen alle ganz "amerikanisch" mit Einbauschränken ausgestattet.

Gassenmeier erzählt und erzählt: von der Mustersiedlung, dem Alten Wirt, der kleinen Genossenschaftssiedlung nahe der alten Führichschule, dem Karl-Preis-Platz. Auch von den Nachteilen Ramersdorfs: der Barrierewirkung des lauten Innsbrucker Rings - und dass es ruhig noch ein schönes Café vertragen könnte.

© SZ vom 14.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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