Viertel-Stunde:Unterwegs mit Fräulein Lou

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Die Münchner Autorin Heidi Rehn schreibt einen historischen Roman - und führt ihre Leser gleich zu den Schauplätzen ihrer Geschichte

Von Andrea Schlaier

Es ist 1924. Elsa Bruckmann, die große Salondame jener Zeit, hat in ihr Palais mit der klassizistischen Fassade und dem herrschaftlichen Portal am Karolinenplatz 5 geladen. An diesem Abend mischt sich zum ersten Mal auch dieser merkwürdig nuschelnde Österreicher im braunen Straßenanzug unter die Gäste, die Frack und Abendkleid tragen. Keiner scheint sich daran zu stören, dass dieser Herr Hitler den Revolver offen zur Schau trägt und mit der rechten Hand die Reitpeitsche immerfort und sichtlich nervös gegen den Oberschenkel schlägt.

Einzig einem zarten Fräulein sticht er ins Auge - sie wie er ein Außenseiter. Das Mädchen Lou, Feintäschnerin von Beruf, ist sonst eher im Café Stefanie an der Theresienstraße zu finden, dem Ecklokal mit der großzügigen Fensterfront und den dunkelroten Samtvorhängen, wo sich vor Kurzem noch die Theaterleute von den Kammerspielen nebenan getroffen haben. So wie ihr einstiger Verlobter, der am ersten schönen Nachkriegsfrühlingstag von einer verirrten Kugel niedergestreckt wurde.

München zwischen dem blutigen Ende der Räterepublik im Mai 1919 und dem Hitlerputsch 1923 sind gleichzeitig historische wie architektonische Kulisse von Heidi Rehns historischem Roman "Tanz des Vergessens". Die Münchner Autorin spaziert während der warmen Jahreszeit mit Interessierten wieder zu den Schauplätzen ihres Buches in der Maxvorstadt. "Weil der Roman quasi vor meiner Haustür spielt und dann auch noch in meiner Lieblingszeit", sagt die 49-Jährige, dränge sich so ein Streifzug auf. Auch, weil man berührt werde davon, täglich an Plätzen vorbeizulaufen, die politisch und gesellschaftlich einmal eine große Rolle gespielt haben. Die Welt der Protagonistin Lou spiegelt eine gesellschaftlich zerrissene Übergangszeit, samt ihren dekadenten Kriegsgewinnlern und exaltierten Künstlern. Zur nächsten eineinhalbstündigen Tour zwischen Universität, Odeons-und Karolinenplatz bricht Heidi Rehn wieder auf an den Sonntagen 24. April, 5. Juni und 10. Juli. Treffpunkt ist immer um 11 Uhr am Brunnen am Geschwister-Scholl-Platz, U-Bahn Universität. Eine Anmeldung ist erforderlich unter heidi@dierehn.de oder Telefon 01577/93 97 801.

© SZ vom 16.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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