Viertel-Stunde:Stark bis zur letzten Stunde

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Ringer Werner Seelenbinder gab sein Leben im Kampf gegen die Nazis

Von Anita Naujokat

Es war ein ungleicher Kampf, den der Ringer Werner Seelenbinder einfach nicht gewinnen konnte. Er war nicht nur ein großer Sportler, sondern auch überzeugter Kommunist und zeigte den NS-Machthabern schon früh unverblümt, dass er sie ablehnte, er machte mit im Widerstand gegen das totalitäre Regime. Als ihm der Henker das Leben nahm, war er erst 40 Jahre alt. München hat Werner Seelenbinder 1971, also kurz vor den Olympischen Spielen 1972, einen Weg in der Südwest-Ecke des Olympiaparks gewidmet und damit diesen Ringer geehrt, der nicht nur auf der Matte, sondern auch im Leben ein großer Kämpfer war.

Am 2. August 1904 in Stettin geboren, kam er als Fünfjähriger nach Berlin. Die Eltern betrieben einen Kolonialwarenladen. Nach der Schule trainierte er in einem Arbeitersportklub Gewichtheben und Ringen. In solche Klubs traten Sportler aus der Arbeiterbewegung ein, denen die Deutsche Turnerschaft zu bürgerlich und national war. Und Seelenbinder befasste sich mit den Schriften von Marx und Lenin. 1925 errang er seinen ersten bedeutenden Sieg bei der "Arbeiterolympiade" in Frankfurt am Main im griechisch-römischen Stil im Halbschwergewicht. Als die Nazis 1933 die Arbeitersportvereine zerschlugen, trat er der Sportvereinigung Ost Berlin bei. Er engagierte sich heimlich in der "Roten Hilfe", einer der verbotenen Kommunistischen Partei Deutschlands nahestehenden Organisation. Er sollte sich vor allem für internationale Wettkämpfe qualifizieren und so gewonnene Auslandskontakte für die Untergrundarbeit nutzen. Als er im August 1933 den ersten von sechs Titeln als Deutscher Meister errang, verweigerte er bei der Siegerehrung den Hitlergruß und wurde von der Gestapo verhaftet.

Doch Seelenbinder ließ sich nicht brechen. Bei den Olympischen Sommerspielen 1936 in Berlin plante er, bei der Siegerehrung öffentlich gegen die NS-Diktatur zu protestieren. Doch er wurde nur Vierter. Immer wieder nutzte er seine sportliche Laufbahn, um auch im Ausland Unterstützung gegen das Regime zu finden.

Schließlich wurden ihm seine intensiven Kontakte zu anderen Widerstandskämpfern zum Verhängnis. Als eine der Gruppen aufflog, nahm die Gestapo auch Werner Seelenbinder, der 1941 zum letzten Mal Deutscher Meister geworden war, am 4. Februar 1942 fest. Nach über zwei Jahren Haft in Konzentrationslagern und Zuchthäusern verurteilte ihn der "Volksgerichtshof" in Potsdam zum Tode. Am 24. Oktober 1944 wurde Seelenbinder im Zuchthaus Brandenburg enthauptet. Seine Urne wurde am 29. Juli 1945 bei einer Sportveranstaltung im Sportpark Neukölln beigesetzt. Das bis dahin namenlose Stadion erhielt an jenem Tag den Namen "Werner-Seelenbinder-Kampfbahn". In seinem Abschiedsbrief äußert er sich überzeugt davon, einen Platz in den Herzen der Menschen gefunden zu haben. "Dieses Bewusstsein macht mich stolz und stark und wird mich in letzter Stunde nicht schwach sehen."

© SZ vom 30.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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