Viertel-Stunde:Platz in der Warteschleife

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Verwittert wie der Platz: die Anlage zur Erforschung des Steinzerfalls. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Am Ratzingerplatz warten die Anwohner seit vielen Jahren auf eine urbane Piazza - wieder einmal ist eine Verbesserung angekündigt

Von Julian Raff

Auf einer menschenleeren Insel, fern vom urbanen Leben und doch nicht an der frischen Luft, bröckeln 128 graue Kantblöcke der Ewigkeit entgegen. Mit ihrer "Langzeit-Versuchsanlage zur Erforschung des Steinzerfalls" haben die Forscher vom Deutschen Bergbaumuseum dem Ratzingerplatz Mitte der Achtzigerjahre ein sinnfälliges Denkmal verpasst. Rund um die alte Tramschleife "dodelt" es wie kaum sonstwo in München. Oben treibt goldenes Herbstlicht ein wenig Schadensbegrenzung, richtig grauslig wird es beim Abstieg in die Unterführung: "Angstraum" meldet das Auge, "Plumpsklo" die Nase.

Nun flackert zwar mit dem jüngsten Eckdatenbeschluss zur Generalsanierung mal wieder ein Lichtlein am Ende des Tunnels auf, aber das haben die Obersendlinger auch schon ein paar Mal wieder verlöschen sehen: "Ich habe das Gefühl, die Leute denken einfach nicht mehr dran", sagt Waltraud Hörnchen, die an der Aidenbachstraße wohnt und das Geschehen lange auch politisch begleitet hat, im Bezirksausschuss und im Stadtrat. Im Planungsausschuss hatte die heute im Seniorenbeirat aktive SPD-Politikerin schon 1994 dafür plädiert, einen preisgekrönten Architektenentwurf rasch umzusetzen. Dazwischen kam kurz darauf das Megaprojekt einer "Siemens-City", aus dem über mehrere Schwundstufen schließlich die immer noch imposante "Südseite" an der Siemensallee wurde.

Die damit eingeleitete städtebauliche Metamorphose Obersendlings soll nun durch den "neuen" Ratzingerplatz, mit Grundschule, Gymnasium, Laden- und Quartierszentrum gekrönt werden. Waltraud Hörnchen hofft, bis 2020 zumindest die Bagger anrollen zu sehen. Ob und wann es sich dagegen einst über eine Ratzinger-Piazza flanieren lässt, wer weiß?

Bis dahin gibt es eine gar nicht so üble Alternative, die denkmalgeschützte Ladenzeile an der Nordseite der Boschetsrieder Straße, westlich vom eigentlichen Platz: Nützliche Geschäfte, ein Café, ein Bistro, zwei Feinkostläden und vor allem das gute Eis vom "Fantastica" laden hier durchaus zum Verweilen ein.

© SZ vom 19.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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