Viertel-Stunde:Gestatten, Harras mein Name

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Marodierende Schweden, rebellierende Bauern: Der nach dem Cafe Harras benannte Platz hat viel gesehen

Kolumne von Berthold Neff

Ungefähr dort, wo sich die Kunden der Commerzbank-Filiale an der Plinganserstraße am Automaten bedienen, müssen die Schweden geplündert haben damals, vor vier Jahrhunderten. Die marodierenden Truppen des Gustav Adolf hinterlassen eine Spur der Zerstörung. 1632, der Dreißigjährige Krieg durchzieht Europa, steht der Schwede vor München, verlangt ein horrendes Lösegeld. In Untersendling brennen seine Truppen - oder waren es gar die kaiserlichen Kroaten? - ein Bauerngut nieder.

Die Ruinen erwachen zu neuem Leben, als ein kurfürstlicher Kammerherr das Anwesen erwirbt und sich ein Schlösschen baut. Zugleich sichert er sich das Privileg, Gäste mit Speisen und Getränken zu versorgen. 1705, als die Oberländer Bauern gegen die Österreicher rebellieren, versammeln sie sich hier, im Alten Wirt, dem späteren Löwenhof.

1869, acht Jahre vor der Eingemeindung von Untersendling nach München, kauft Robert Harras das Schlösschen neben der Gastwirtschaft und startet sein Café Harras. Es stand dort, wo sich heute an der Plinganserstraße die Häuser mit den Nummern 38-42 befinden. 1903 expandiert er, richtet sein Café nebenan in einem Neubau mit vier Etagen Platz ein. Es ist ein Blickfang für alle, die in diese Vorortgegend kommen. Zunächst mit dem Pferdewagen, weil sich hier die Landstraßen von München nach Wolfratshausen und Weilheim gabeln, dann mit der Pferdebahn und später mit der elektrischen Straßenbahn. Das Café Harras steht an diesem Verkehrsknotenpunkt wie eine Eins und gibt 1930 dem ganzen Platz den Namen. An all das denkt man beim Blättern in dem Buch "Sendling" von Christine Rädlinger und Eva Graf (Volk-Verlag), auf einer der langen Holzbänke, die seit 2013 auf dem umgestalteten Harras stehen. Kaum zu glauben, dass dies mal ein Acker war. Wenn man es recht bedenkt, hatten die Münchner in Sachen Harras Glück. Was, wenn der Wirt Robert Barras geheißen hätte?

© SZ vom 19.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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