Viertel-Stunde:Gefährdetes Paradies

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Die Hasenstraße in der Lerchenau ist ein idyllischer Flecken mit ganz besonderem Charme. Doch die Siedlung soll einem Wohnquartier weichen

Von Nicole Graner

Die Kieselsteine knirschen bei jedem Schritt. Kein Radweg, keine Beleuchtung. Von einer Straße kann nicht die Rede sein. Fast könnte man glauben, dass einem hier Fuchs und Hase Gute Nacht sagen. Apropos Hase: Der Kiesweg hat einen Namen, er heißt Hasenstraße. Ums Eck gibt es Rehstraße und Marderstraße. Sie sind Teil der Eggarten-Siedlung in der Lerchenau, ein Fleckchen München mit eigenem Charme. Kleine Schrebergärten mit selbst gebauten Hüttchen. In einem der Gärten stehen Putten, ein steinerner Kranich. Liebevoll sind die Forsythien beschnitten, deren Knospen kurz vor der Blüte stehen. Bunte Ostereier hängen in Sträuchern. Unter einem kleinen Maibaum hat jemand Bierbänke platziert. Irgendwo hämmert ein Specht kleine Löcher in die Baumrinde, die Vögel zwitschern. Manche der kleinen Häuser sind in einem schlechten Zustand, Putz bröckelt von den Fassaden, große Risse sind im Mauerwerk zu sehen. Ein Haus an der Rehstraße scheint leer zu stehen. Nur eine Gardine hängt am Fenster.

Seit Jahren ist bekannt, dass die Siedlung einem Wohnquartier weichen soll. Zwei Drittel des riesigen Areals gehören der CA Immo, der Rest der Büschl Unternehmungsgruppe. Aber was passiert mit dem großen, wild gebliebenen Karree mit dem maroden Charme? Ulrike Kobrich hat seit 2000 einen Garten an der Marder-/Hasenstraße. Sie nennt die Kolonie ihr Paradies. Gekündigt wurde den Besitzern der Gartenparzellen schon länger. Bis klar sei, wann die Bebauung beginnt, werde die Nutzungsvereinbarung jeweils um ein Jahr verlängert. "Ich habe das Gefühl, dass es unser letzter Sommer hier sein wird". Nach 16 Jahren. Nicht weit von der Hasenstraße lebt Kobrich in einer kleinen Wohnung. Gerade im Sommer sei der Garten einblühendes "Wohnzimmer", das auch ihre drei Enkelkinder sehr lieben. Vermutlich wird Kobrich nun jede Minute im Garten genießen. Vielleicht auch für ihre Enkelkinder gleich Ostereier verstecken. Das aber dürfen die Kinder nicht wissen, denn der Osterhase bringt sie doch schließlich. Und der wohnt - zum Glück - gleich nebenan. An der Hasenstraße.

© SZ vom 26.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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