Viertel-Stunde:Endzeitstimmung im Werksviertel

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Wer sehen will, wie sich Bagger durch Gebäude fressen und nur noch deren Gerippe übrig lassen, sollte einen Rundgang durch den ehemaligen Kunstpark Ost antreten

Von Renate Winkler-Schlang

Das war sie, die Temple Bar: Durch die Rückseite hat sich der Bagger gefressen, noch steht die rote Fassade mit der Eingangstür. Es wirkt wie eine spektakuläre Filmkulisse, eine Potemkinsche Bar. Und bald wird das Lokal in der früheren Kultfabrik Geschichte sein. Die Lücke aber macht den Blick frei auf die Rückseite des Gründerzentrums, in dem sich mitten in dem Gelände mit seinen verschachtelten Bauten Start-up-Firmen auf ihre Geschäftsidee und deren Entwicklung vorbereiten. Die Architekten haben eine Reihe runder Bullaugen setzen lassen.

Doch das ist nur eine von vielen Baustellen auf dem Werksviertel-Gelände hinterm Ostbahnhof. Ein spannender Spaziergang lässt sich hier derzeit unternehmen. Nicht nur kleine Buben, die Bob den Baumeister mögen, sind hier richtig. Wer ein Faible für große Maschinen hat, kann zuschauen, wie südlich des alten Optimol-Geländes ein Baggermaul den Altbau von Media Works zerbröselt, beharrlich, Stockwerk für Stockwerk. Doch auch wer eher auf die ästhetische Wirkung seiner Umgebung achtet, kommt hier auf seine Kosten. Denn es ist schön bizarr, wie sich das daneben bereits entkernte Gebäudegerippe mit der charakteristischen orangefarbenen Kugel auf dem Dach vor der tief stehenden Sonne abhebt - umrahmt von der Medienbrücke und dem fast fertigen neuen Sitz des Oldenbourg-Verlags.

Zu den Bars, die dem Konzertsaal Platz machen werden, gehört der frühere Q-Club: Das riesige "Q" bestand nur aus Folie. Das sieht man jetzt, denn sie hängt bereits in Fetzen am Stahlrahmen.

Die Nordseite ist verhüllt, Schlitze in der weißen Plane lassen die Fassade erahnen: Das Werk III, zentraler Bau im Herzen des Werksviertels, präsentiert sich als Verpackungskunstwerk. Auf der anderen Seite, dem künftigen "Knödel-Platz", der an die Pfanni-Vergangenheit des Areals erinnern soll, stapeln sich noch Baumaterial, zur Friedenstraße hin ducken sich die blauen Container der Bauarbeiter. Schon im Frühjahr soll Eröffnung sein. Doch auch dieser Zustand des Areals hat seinen Reiz. Und Vorfreude ist auch was Schönes.

© SZ vom 16.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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