Viertel-Stunde:Ein Leben für die Kinder

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Denk mal: Ein Straßenschild erinnert an Otto Reinach. (Foto: Privat)

Ein Straßenname im Münchner Norden erinnert an das Wirken des Arztes Otto Reinach

Von Nicole Graner

Behüte dein Kind vor der englischen Krankheit" - so heißt der Titel einer medizinischen Flugschrift aus dem Jahr 1929, an der der Mediziner und Kinderarzt Otto Reinach (1870 - 1938) mitgeschrieben hat. Die englische Krankheit nannte sich "Rachitis" und galt in der Weimarer Republik als Volkskrankheit. Mangelnde UV-Strahlung, zu wenig Vitamin D - das waren die Gründe, warum Säuglinge und Kleinkinder oftmals starben. Die Säuglingssterblichkeitsrate lag 1913 bei 14,3 Prozent, erst 1927 sank sie auf acht Prozent. Dank der Errungenschaften von Beratungsstellen und Hausbesuchen. Schlechte Ernährung und Hygiene sowie zu wenig individuelle Fürsorge waren Themen, denen sich der Mediziner besonders verschrieben hatte. Säuglingspflege und Mutterschutz - zeitlebens setzte sich Reinach als einer der bedeutendsten Kinderärzte Bayerns für eine Verbesserung der medizinischen Betreuung von Mutter und Kind ein. Es gelang.

1905 eröffnete er das "Prinzessin Arnulfhaus für Säuglinge" an der Frühlingstraße 27 und leitet es. "Die Anstalt (...) besteht jetzt (...) aus Säuglingsfürsorgestelle, Speiseanstalt für Stillende, Milchküche und stationärer Abteilung für Säuglinge. In der Fürsorgestelle werden wöchentliche Stillprämien ausbezahlt", heißt es in einem Ministerialblatt von 1867. Auch war der jüdische Arzt Gründer des Bezirksverbandes für Säuglingspflege.

Nach Otto Reinach wurde eine Straße in der Fasanerie benannt. Auch deshalb, weil der Mann, der sich so sehr um Mutter und Kind kümmerte, wegen seiner jüdischen Herkunft 1933 aus dem Dienst entlassen wurde. Wie Historiker und Straßennamen-Forscher Reinhard Bauer in seiner Ausstellung "Straßennamen im Münchner Norden" belegt, praktizierte der Arzt zwar am Promenadeplatz in München weiter, war aber dem nationalsozialistischen Regime ein Dorn im Auge. In der Reichspogromnacht 1938 wurde er verhaftet und, wie Bauer erzählt, in das KZ Dachau verschleppt und "vermutlich erschlagen". Seine Frau Anne Reinach wurde 1941 in das "Judenlager" Milbertshofen gebracht. Von dort wurde sie nach Kaunas deportiert - und kam nie wieder.

© SZ vom 25.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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