Viertel-Stunde:Der Herbst des Bauernstandes

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Erntedank, Höfefeste: In München erinnert man sich noch an jene Zeit, als die Stadt noch ein Dorf war und auf ihren Äckern das Korn für das tägliche Brot wuchs. Wenn aber auch noch das letzte Feld zu Bauland umgewidmet wird, könnte diese Vergangenheit bald vergessen sein

Von Thomas Kronewiter

Was für Bayern das geflügelte Wort von "Laptop und Lederhose" zusammenfasst, gilt nicht bloß für den ländlichen Raum. Allerdings sind in der High-Tech-Stadt München mit ihren Auto- und Maschinenbauern Brauchtum und Bauernstand - von besonders auffälligen Ausnahmen wie etwa der Wiesn abgesehen - doch eher an den buchstäblichen (Stadt)-Rand gedrängt. Alle Jahre wieder fühlt man sich daran im Herbst erinnert, wenn sich Hoffeste und Erntedankgottesdienste häufen.

In diesem Jahr fehlt ein prominenter Termin im Kalender, denn der für dieses Wochenende geplante Feldmochinger Rosstag fällt aus. Das Geld für die prachtvolle Schau von Pferden und Gespannen, sonst Garant für Zuschauermassen, hat der Feldmochinger Burschenverein diesmal nicht zusammengebracht. Dafür wird an diesem Samstag wieder das Aubinger Höfefest gefeiert. So herrlich spätsommerlich wie im vergangenen Jahr dürfte es an der Ubo- und der Eichenauer Straße allerdings nicht werden: Eher trüb und kühl lautet die Vorhersage, sodass der gewaltige Andrang des Vorjahres diesmal vielleicht gebremster ausfallen wird. Wie gern die Münchner kommen, wenn das Wetter stimmt, zeigten 5500 Münchner kürzlich beim Ökologischen Hoffest auf Gut Riem.

Trotz Weidefleisch, Kartoffeln und Kräuterheu aus dem Münchner Grüngürtel und allerhand Bemühungen, das regionale (Land-)Wirtschaften zu fördern, darf man sich nicht täuschen: Zwar gibt es heute noch rund 100 landwirtschaftliche Vollerwerbsbetriebe im Stadtgebiet, doch wirklich präsent sind sie im Alltagsleben nicht mehr, und ihre Zahl ist weiter am Abnehmen. Wohnungsbau am Stadtrand, wenn also aus Äckern Bauland wird, setzt sie bei den Existenzgrundlagen zusätzlich unter Druck.

Traditionsbewussten und alteingesessenen Münchnern muten die Neu-Münchner darüber hinaus auch eine ganz eigene Integrationsleistung zu: wenn sich nun auch am Stadtrand ganze Viertel rasant wandeln und nichts Identitätsstiftendes mehr bleibt, weil auch die Bauern mit ihren Höfen und ihrem Brauchtum verschwinden.

© SZ vom 07.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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