Viertel-Stunde:Das Große im Kleinen

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Alexander Smoktunowicz feiert am Samstag. (Foto: Lukas Barth)

Seit die ukrainisch-orthodoxe Gemeinde der Siedlung Ludwigsfeld eine Reliquie hat, ist die Besucherzahl spürbar angestiegen

Von Simon Schramm

Von außen sieht man dem Gebäude der ukrainisch-orthodoxen Kirche in der Siedlung Ludwigsfeld nicht an, was sich in seinem Inneren verbirgt. Die Räume der Kirche sind in einem schmalen, hinter einer Hecke versteckten Flachbau im Osten der Siedlung untergebracht. Aber schon beim Eintritt in den Gebetsraum beeindruckt der Charme der kleinen Gemeinde. Ein paar Stuhlreihen und Kerzenständer stehen da, eine winzige Bühne, und der heilige Nikolaus schaut einen von der Wand mit den vielen Ikonen barmherzig an.

Wenn sich die Kirchengemeinde an diesem Samstag zum Gedenkfest an ihre Apostel Petrus und Paulus versammelt, ist keine großartige Vorbereitung notwendig, meint Pfarrer Valentin Smoktunowicz. "Wir zünden die Kerzen an und stellen Blumen auf. Man kann schöne Kathedralen bauen, aber den Geist muss man anders holen."

Ursprünglich war die Kirche in einer Baracke des ehemaligen Fremd- und Zwangsarbeiterlagers Ludwigsfeld untergebracht, gelegen im Westen der heutigen Siedlung. 1945 gründeten ukrainische Flüchtlinge, Exilanten und ehemalige Zwangsarbeiter wenige Wochen nach Ende des Zweiten Weltkriegs die Kirchengemeinde. Die Baracke ist längst abgerissen, heutzutage befinden sich an der Stelle die Karlsfelder Straße und ein Gebäude, in dem MAN seine Fahrzeuge ausstellt. 1968 zog die Kirche an ihren aktuellen Standort an der Granatstraße.

Damals umfasste die Gemeinde etwa 300 Mitglieder, mittlerweile ist sie auf 20 geschrumpft. Viele Anhänger sind verstorben, ohne Kinder oder alleinstehend. Vor fünf Jahren fürchtete Pfarrer Smoktunowicz deswegen, dass die Kirche geschlossen werden müsste - dann geschah aber ein "kleines Wunder", sagt der Pfarrer. Ein französischer Pfarrer übergab der Gemeinde eine Reliquie, einen Teil der rechten Hand des heiligen Nikolaus von Myra. Das hat sich herumgesprochen. Seitdem beobachtet Smoktunowicz, dass mehr Besucher in die Kirche kommen, und wie sich die Mitglieder mit neuem Enthusiasmus am Gemeindeleben beteiligen. Er ist überzeugt: "Die Gemeinde wird weiter leben."

© SZ vom 09.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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