Viertel-Stunde:Chauffeur mit Sinn und Verstand

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Leidenschaftlich Rikschafahrer: Julian Albrecht. (Foto: Robert Haas)

Julian Albrecht ist freiberuflicher Rikschafahrer - auf seinen Touren will er "die Liebe zu meiner Heimatstadt weitergeben"

Von Christian Schraml

"Mit dem Bus kommt man eben nicht in die engen Gassen der Altstadt", schmunzelt Julian Albrecht. Der 34-Jährige ist Rikschafahrer; ursprünglich Berufsschullehrer, arbeitet er jetzt freiberuflich in der Sightseeing-Branche. Er will auf seinen Touren "die Liebe zu meiner Heimatstadt weitergeben." Und dabei vor allem Orte der Altstadt mit einer "Münchner DNA" einbinden, wie er es nennt. Damit meint er auch die Gemütlichkeit der Münchner und ihr Credo: leben und leben lassen. Diese Lebensmotto zeigt sich in seinen Augen beispielsweise im Biergarten am Viktualienmarkt, in den man, wie anderswo auch, die Brotzeit selbst mitbringen darf.

Die Altstadt-Tour mit seinem Fahrradtaxi beginnt er am Marienplatz mit dem Glockenspiel, von dort geht es dann zum Viktualienmarkt mit seinem Biergarten. Anschließend weiter zum Hofbräuhaus am Platzl - noch ein bierseliger Ort. Über die Maximilianstraße führt der Weg zur Feldherrnhalle und Residenz. Schließlich fährt er seine Gäste durch den Hofgarten und an der Staatskanzlei vorbei in den Englischen Garten zum Haus der Kunst oder zu den Surfern am Eisbach. Seinen Erfahrungen nach beeindruckt die Residenz die Gäste ganz besonders - die Innenhöfe und Brunnen sowie die Pracht der Bauten inmitten der Stadt hinterlassen bei den meisten den tiefsten Eindruck.

Allerdings stehen Julian Albrecht und seine Rikscha-Kollegen vor einem aus ihrer Sicht existenziellen Problem: Der Marienplatz soll dauerhaft für Fahrräder gesperrt werden, da die Fußgängerzone erweitert wird. Für Albrecht ist das nicht nachvollziehbar: "In der Radl-Hauptstadt München schließen wir als Rikschafahrer eine Nahverkehrslücke."

Mit einer Anekdote veranschaulicht Julian Albrecht seinen Standpunkt in der Diskussion um den Marienplatz. Den Gästen zeigt er gerne die beiden steinernen Löwen vor der Feldherrnhalle, die auf den Odeonsplatz hinabblicken. Einer der beiden steht da mit offenem Maul in Richtung Residenz gewandt, dem früheren Sitz der Herzöge, Kurfürsten und Könige. Albrechts Interpretation: "Ruhig mal den Mund in Richtung Politik aufmachen."

© SZ vom 03.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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