Viertel-Stunde:Blaues Symbol der Solidarität

Ein Denkmal am Sendlinger Tor zieht Parallelen

Kolumne von Gözde Çelik

Ist das nicht das Aids-Memorial? Das fragte sich eine SZ-Leserin, als sie eine blaue Säule in einem Container an der Sonnenstraße sah. Es ist tatsächlich das Kunstwerk von Wolfgang Tillmans, dessen Geschichte bereits im Jahr 2000 mit einem Wettbewerb der Stadt München beginnt. Errichtet werden sollte ein Denkmal, um den an der Krankheit Verstorbenen sowie deren Freunde und Familien zu gedenken. Ein Symbol der Solidarität und der Mahnung im Hinblick auf die ungerechte Behandlung und Diskriminierung der Schwulen-Szene.

Tillmans Vorschlag wird ausgewählt und am 17. Juni 2002, 20 Jahre nach dem ersten Todesfall durch die Immunschwächekrankheit, enthüllt. Seitdem steht die Säule auffällig unauffällig an ihrem Platz am U-Bahn-Aufgang Sendlinger Tor und erinnert an eine Krankheit, die viel Leid und strukturelle Diskriminierung hervorgebracht hat. Die Säule trotzt der U-Bahn-Baustelle, die wohl am temporären Umzug in den Container schuld war. Von einer gewöhnlichen Säule unterscheidet sie die Inschrift, "Aids - Den Toten, den Infizierten, ihren Freunden, ihren Familien, 1981 bis heute". Die Gedenkstätte mitten im Münchner Leben soll an eine Krankheit erinnern, die, in Anlehnung an die U-Bahn-Metaphorik, nicht irgendwo im Untergrund, sondern mitten in der Gesellschaft ihre Opfer sucht.

Dass ein Passant Parallelen zur Gegenwart erkannt haben will, zeigt ein mit schwarzem Stift und wenig künstlerischer Ästhetik hingeschmiertes "Corona". Wobei der Vergleich der Pandemie mit einer Krankheit, die als Instrument zur Diskriminierung einer ganzen Personengruppe verwendet wurde, eher hinkt.

© SZ vom 16.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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