Verwaltungsgericht:Verzögerungstaktik

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Verkehrsader Mittlerer Ring: Umweltverbände fordern härtere Maßnahmen gegen den Autoverkehr, um die Schadstoffbelastung der Luft zu senken. (Foto: Florian Peljak)

Weniger Schadstoffe in München - mit diesem Anliegen der Deutschen Umwelthilfe beschäftigt sich das Verwaltungsgericht. Doch das Engagement von Stadt und Freistaat halte sich in Grenzen, moniert der Verband

Von Marco Völklein

Drohen in München bald Fahrverbote für Dieselautos? Vor einem Monat hatte das Verwaltungsgericht diese Frage im Rahmen einer Klage verhandelt, die die Deutsche Umwelthilfe (DUH) gegen Stadt und Freistaat angestrengt hatte. Der Umweltverband will, dass die Behörden mit "einschneidenderen Maßnahmen" gegen die Schadstoffbelastung in der Luft vorgehen - denn genau dazu hatte das Verwaltungsgericht bereits 2012 die Stadt und den Freistaat verdonnert, ohne aber zu sagen, welche Maßnahmen es konkret meint. Zudem hatten die Richter den Behörden auferlegt, "schnellstmöglich" die Schadstoffgrenzwerte einzuhalten.

Doch passiert sei seither kaum etwas, monieren die Juristen der DUH. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts, sagt ein Sprecher, sei "zeitnah" zu erwarten. Gut möglich, dass noch diese Woche ein Urteil fällt. In der mündlichen Verhandlung Mitte Mai hatte eine Vertreterin des bayerischen Umweltministeriums erklärt, man habe ein Gutachten in Auftrag gegeben. In dem sollten Fachleute nicht nur prüfen, wie "Maßnahmen zur Verkehrssteuerung" die Belastung der Luft mit Schadstoffen wie Stickstoffdioxid (NO₂) senken können. Vielmehr sollen sie auch feststellen, ob "Verkehrsbeschränkungen" sinnvoll wären. "Das kann bis hin zum Verkehrsverbot gehen", hatte Monika Kratzer vom Umweltministerium im Gerichtssaal ergänzt.

Das Verwaltungsgericht muss nun bewerten, ob dies ausreicht, um seine Vorgaben von 2012 ("einschneidendere Maßnahmen", "schnellstmöglich") umzusetzen. Das Umweltministerium hatte dem Gericht die Leistungsbeschreibung für das anzufertigende Gutachten vorgelegt. Aus Sicht von DUH-Anwalt Remo Klinger ist dieses Gutachten keinesfalls dazu geeignet, die Vorgaben aus dem 2012er-Urteil zu erreichen. "Das ist nur wieder ein weiteres Brainstorming-Gutachten", sagt Klinger. So fordert das Umweltministerium von den Sachverständigen, dem Münchner Büro Gevas Humberg & Partner, unter anderem die "Darstellung von Maßnahmen zur Verringerung der Verkehrsmenge". Zudem hat das Ministerium die Gutachter mit der "Prüfung von verkehrlichen Maßnahmen in Bezug auf die NO₂-Situation" beauftragt. Doch all das, meint Klinger, müsste nicht noch einmal untersucht werden. "Solche Gutachten liegen schon seit Langem vor", sagt der Anwalt, der seit Jahren die DUH-Luftschadstoffklagen gegen diverse Kommunen vertritt. Sinnvoller wäre es stattdessen, mögliche Maßnahmen wie beispielsweise Fahrverbote in ganz genau abgegrenzten Stadtbereichen und deren Auswirkungen konkret zu untersuchen. Wenn Ergebnisse dann vorlägen, könnten die Behörden konkrete Maßnahmen umsetzen.

Doch daran seien Stadt und Freistaat nicht wirklich interessiert, sagt Klinger. Vielmehr vermutet er, die Behörden wollten durch das neuerliche Gutachten "auf Zeit spielen". Laut Ministerium sollen die Ergebnisse der nun beauftragten Studie inklusive "Handlungsempfehlungen" zur Jahresmitte 2017 vorliegen. Spannend wird, wie das Verwaltungsgericht entscheidet - ob es "das Spiel auf Zeit mitspielt", wie Klinger sagt. Oder Stadt und Freistaat zu einem härteren Durchgreifen zwingt.

Knifflig ist die Entscheidung für die Richter auch, weil bei dem Thema auf anderen Ebenen einiges in Bewegung geraten ist. So steigt wegen des Diesel-Abgasskandals bei VW und anderen Herstellern der Druck auf die Branche, Autos auszuliefern, die nicht nur auf dem Prüfstand, sondern auch auf der Straße weniger Schadstoffe in die Luft blasen. Zudem diskutieren die Umweltminister die Einführung einer "blauen Plakette" für Autos mit deutlich verschärften Schadstoffstandards. Bislang ist aber noch völlig unklar, welche Standards der Gesetzgeber letztlich anwenden wird. "Und damit ist auch noch offen, wie viele Autos davon betroffen sein werden", sagt Gerd Lottsiepen vom ökologisch orientierten Verkehrsclub Deutschland (VCD).

Hinzu kommt: Selbst wenn der Bund die blaue Plakette einführt, müssten anschließend Stadt und Freistaat entscheiden, dass diese auch für die Münchner Umweltzone eingeführt wird - das alles dürfte sich ziehen. Lottsiepen rechnet daher nicht damit, dass erste Kommunen vor 2018 die blaue Plakette einführen. Der ADAC jedenfalls "kann den Kauf neuer Diesel-Pkw nur dann empfehlen, wenn Hersteller und Händler die Einhaltung der zukünftigen Abgasgesetzgebung verbindlich zusichern", wie ein Sprecher sagt. Gleichwohl will der Klub "Fahrverbote möglichst lange abwenden und weitere den Verkehr beschränkende oder verteuernde Maßnahmen abwehren".

Kritiker meinen zudem, die Stadt müsste deutlich mehr für die Verflüssigung des Autoverkehrs tun, etwa den Ausbau der grünen Wellen forcieren.

© SZ vom 21.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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